Flugschule wusste von Depression

Frankfurt · Neue Enthüllungen im Fall des abgestürzten Airbus: Co-Pilot Andreas L. hatte nach Angaben der Lufthansa bereits 2009 seiner Fliegerschule mitgeteilt, dass er eine „abgeklungene schwere depressive Episode“ hinter sich habe.

Der Co-Pilot der abgestürzten Germanwings-Maschine hat die Lufthansa bereits im Jahr 2009 als Flugschüler über eine "abgeklungene schwere depressive Episode" informiert. Das teilte das Unternehmen gestern in einer Erklärung mit. Demnach hatte der Co-Pilot der Verkehrsfliegerschule im Jahr 2009 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seiner für mehrere Monate unterbrochenen Pilotenausbildung medizinische Unterlagen übersandt, in denen von einer "abgeklungenen schweren depressiven Episode" die Rede war. Lufthansa erklärte, die Unterlagen seien der Staatsanwaltschaft Düsseldorf "nach weiteren internen Recherchen" übergeben worden. Die Staatsanwaltschaft hatte am Montag erklärt, dass der Co-Pilot der vor einer Woche in Frankreich abgestürzten Germanwings-Maschine vor seiner Pilotenkarriere psychotherapeutisch wegen möglicher Suizidgefährdung behandelt worden war. Schon seit einigen Tagen ist zudem bekannt, dass der 27-Jährige am Tag des Unglücks eigentlich krank geschrieben war. Der Co-Pilot steht im Verdacht, die Maschine mit 150 Menschen an Bord absichtlich zum Absturz gebracht zu haben.Die Lebensgefährtin von L. wusste von psychischen Problemen ihres Freundes, ging aber offenbar davon aus, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand. Der Nachrichtensender CNN zitierte gestern einen nicht namentlich genannten Beamten einer europäischen Regierung mit den Worten, die Freundin habe "die Ausmaße der Probleme nicht gekannt". Die junge Frau war am Wochenende im Beisein einer Polizeipfarrerin von Beamten befragt worden.

Die "Bild"-Zeitung und das französische Magazin "Paris Match" berichten, von den letzten Sekunden an Bord des Germanwings-Fluges 4U9525 existiere ein Video. Es sei am Unglücksort von einer Person gefunden worden, die zum Kreis der Ermittler gehöre.

Der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin erklärte, er wisse nichts von einem solchen Fund. Es seien eine Reihe von Handys entdeckt worden, die noch ausgewertet würden. Sie seien aufgrund des Aufpralls aber in einem sehr schlechten Zustand. "Ich weiß nicht, ob sie ausgewertet werden können."

Lufthansa-Chef Spohr will heute den Absturzort in den französischen Alpen besuchen. Begleitet wird Spohr dabei von Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann. In der nahe der Absturzstelle gelegenen Ortschaft Seyne-les-Alpes werden die beiden Manager zunächst das Hauptquartier der Einsatzkräfte besuchen. Anschließend wollen sie in der Ortschaft Le Vernet an einer Gedenktafel der 150 Opfer der Flugzeugkatastrophe gedenken.

Die Identifizierung der Absturzopfer soll nach den Worten von Frankreichs Präsident François Hollande bald abgeschlossen sein. "Bis spätestens Ende der Woche ist es möglich, alle Opfer zu identifizieren", sagte der Staatschef gestern während einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Für die Kosten der Germanwings-Katastrophe stellt ein Versicherungskonsortium nach Angaben der Lufthansa 300 Millionen US-Dollar (278 Millionen Euro) zurück. Das Geld sei gedacht für Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen, den zerstörten Airbus A320 und Betreuungsteams, sagte gestern ein Sprecher des Konzerns, zu dem Germanwings gehört, in Frankfurt . In dem Versicherungskonsortium, das sich auf die Übernahme der Kosten vorbereitet, spielt laut Lufthansa die Münchner Allianz eine führende Rolle. Dort wollte sich zunächst niemand äußern.

Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine mit 150 Toten sagt die Lufthansa die geplante Feier zu ihrem 60. Jubiläum ab. Die für den 15. April vorgesehenen Feierlichkeiten fänden "aus Respekt vor den Opfern des Absturzes von Flug 4U9525" nicht statt, teilte der Germanwings-Mutterkonzern gestern in Frankfurt mit. "An Stelle der geplanten Jubiläumsveranstaltung wird Lufthansa den Staatsakt aus dem Kölner Dom , bei dem Angehörige und Freunde am 17. April 2015 der Opfer gedenken werden, für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen." Die heutige Lufthansa nahm 1955 ihren Dienst auf. Nach dem Germanwings-Absturz in den Alpen gehen die französischen Ermittler auch möglichen "Systemfehlern" nach. Die Luftfahrtermittlungsbehörde BEA teilte gestern mit, dass insbesondere das Schließsystem der Cockpit-Türen näher untersucht werden solle. Dabei gehe es auch um die "Abläufe beim Eintritt und beim Verlassen des Cockpits". Die Ermittler wollen auch den technischen Ablauf des Fluges genauer untersuchen. In einer Erklärung von gestern hieß es, die BEA wolle sich vor allem auf Auswertung der Aufnahmen auf dem Stimmrekorder stützen sowie auf weitere verfügbare Flugdaten.

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