Fiese Scherze mit falschem Alarm

New York · Anonyme Anrufer provozieren in den USA immer häufiger Fehlalarme. Schwer bewaffnet rücken dann Polizisten zu den angeblichen Tatorten aus. Für manche ist das Spaß.

Es ist eine lebensgefährliche Mischung aus Spiel und Rache, die sich derzeit in den USA wie ein Flächenbrand verbreitet. Lebensgefährlich deshalb, weil die Opfer des von den Behörden als "Swatting" bezeichneten Phänomens damit rechnen müssen, dass Sonderkommandos der Polizei - immer schwer bewaffnet und mit dem Finger am Abzug - ihre Haus- oder Wohnungstür im Irrglauben aufbrechen, ein Verbrechen verhindern zu müssen. Das vorerst letzte Opfer war auf Long Island (Bundesstaat New York) ein 17-Jähriger und dessen Familie. Ein anonymer Anrufer hatte sich bei einem Notruf als "Rafael Castillo" ausgegeben und behauptet: "Ich habe soeben meine Mutter getötet und plane, noch mehr Menschen umzubringen." Die Polizei rückte mit Helikoptern, einem Swat ("Special Weapons And Tactics")-Sonderkommando im Panzerwagen sowie 60 Beamten an. Castillos 54-jährige Mutter befand sich ahnungslos und quicklebendig in der Küche, als die Armada ins Haus eindrang - und der Schüler beim Online-Videospiel. Vermutet wird, dass ein anderer Jugendlicher, den Castillo zuvor besiegt hatte, ihm diesen üblen Scherz serviert hat. Denn einem New Yorker Polizeisprecher zufolge ist "Swatting" mittlerweile eine beliebte Form von Revanche in dieser Szene.

Das "Swatting" hatte seinen Anfang im Raum Los Angeles, wo vor allem Hollywood-Prominente zu Opfern wurden. Justin Timberlakes Haus wurde nach der Falschmeldung, dort seien Schüsse abgefeuert worden, ebenso von Swat-Teams besucht wie die Anwesen von Rihanna, Miley Cyrus oder Justin Bieber. Polizeiberichten zufolge existiert mittlerweile sogar ein makaberes Punktesystem unter jenen, die "Swatting" als Spiel ansehen: Es gibt Bonuspunkte für die Zahl der Helikopter, der Polizisten und die Art und Weise, wie die Polizei dann ins Haus eindringt. Besonders geschickten Tätern gelingt es mittlerweile allerdings, den Anruf so zu manipulieren, dass die Telefonnummer des Opfers beim Absetzen des Notrufs bei der Polizei auftaucht. Damit erscheint der Notruf plausibel. Für Roger Serrato in Greenfield (Kalifornien) endete das Spiel fatal. Seine Hauswand wurde von einem Panzerfahrzeug des Monterey County Swat-Teams gerammt, nachdem man ihn fälschlicherweise einer Schießerei in einer Bar bezichtigt hatte. Dann flogen Granaten, die sein Wohnzimmer in Brand setzten. Der 31-Jährige vierfache Familienvater starb an einer Rauchvergiftung - unbewaffnet und nur mit Boxer-Shorts bekleidet. Die Polizei-Elite sah unterdessen von draußen tatenlos der Tragödie zu. Die Familie des Getöteten erhielt letztes Jahr mehr als zwei Millionen Dollar Entschädigung.

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