Fakten-Check Jede Menge Falschaussagen bei TV-Debatte

Washington · Die erste TV-Debatte zwischen Trump und Biden war chaotisch. Es wurde viel unterbrochen und durcheinandergeredet. Die Nachrichtenagentur AP hat den Inhalt überprüft, und festgestellt: Es gab jede Menge falscher Aussagen.

Fakten-Check: Jede Menge Falschaussagen bei TV-Debatte in den USA
Foto: dpa/Julio Cortez

US-Präsident Donald Trump hat in seiner ersten TV-Debatte mit Herausforderer Joe Biden eine Sturzflut an Falschaussagen und Schrecken verbreitet. Zu einem Punkt der verbalen kämpferischen Auseinandersetzung behauptete er, die Zahl der Coronavirus-Toten wäre unter einem Präsidenten Joe Biden zehnmal höher, weil der Demokrat während der Pandemie offene Grenzen befürwortet habe. Biden hat niemals Derartiges befürwortet.

Trump raste so ungezwungen wie bei seinen Wahlkampfveranstaltungen in die Debatte, stieß diesmal jedoch auf seinen Herausforderer und häufig auch Fox-News-Moderator Chris Wallace, die Falschaussagen aufzeigten oder es zumindest versuchten. Biden geriet zeitweise etwas ins Stottern, während sie böse Worte austauschten. Ein Faktencheck:

ZAHL DER TOTEN DURCH DAS CORONAVIRUS

TRUMP sagte an Biden gerichtet über die Zahl der Toten in den USA: „Wenn Sie hier wären, wären es nicht 200 000 Menschen, es wären zwei Millionen Menschen. Sie wollten nicht, dass ich China sperre, was hoch infiziert war. (...) Wenn wir auf Sie gehört hätten, wäre das Land weit geöffnet geblieben.“

DIE FAKTEN: Das ist eine falsche Behauptung. Biden hat sich nie gegen Trumps Reisebeschränkungen für Ankünfte aus China gewandt. Er hat lange gebraucht, um eine Entscheidung zu treffen, unterstützte dann aber die Restriktionen. Er hat nie geraten, das Land geöffnet zu lassen.

Trump hat wiederholt und fälschlicherweise behauptet, Einreisen aus China gestoppt zu haben. Tatsächlich hat er sie eingeschränkt. Einreisen aus den chinesischen Territorien Hongkong und Macao waren auch nach dem 2. Februar möglich. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP kamen in den ersten drei Monaten der Einschränkungen 8000 chinesische und ausländische Bürger aus den beiden Territorien in die USA. Außerdem kehrten im ersten Monat mehr als 27 000 Amerikaner vom chinesischen Festland zurück. US-Beamte verloren die Spur von mehr als 1600 Menschen, die dem Virus möglicherweise ausgesetzt waren.

Dutzende Länder unternahmen ähnliche Schritte, um Reisen aus schwer getroffenen Gebieten zu kontrollieren, bevor oder in etwa während die USA es taten.

PROTESTE

TRUMP: „Der Sheriff (von Portland, Oregon) hat sich gerade heute geäußert, "ich unterstütze Präsident Trump".“

DIE FAKTEN: Das ist falsch. Der Sheriff von Multnomah County (Oregon), wo Portland liegt, sagte, er unterstütze Trump nicht. Mike Resse twitterte: „Als Sheriff von Multnomah County habe ich niemals Donald Trump unterstützt und werde ihn niemals unterstützen.“

Portland stand im Zentrum der Debatte um Proteste gegen rassistische Ungleichheit in den USA. Dort ist es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Protestierenden gekommen.

BIDEN: „Es gab einen friedlichen Protest vor dem Weißen Haus. Was hat er gemacht? Er kam aus seinem Bunker und ließ das Militär Tränengas einsetzen.“

DIE FAKTEN: Es war die Polizei, nicht das Militär, die am 1. Juni chemische Reizstoffe gegen gewaltsam vertriebene Protestierende auf dem Platz LaFayette vor dem Weißen Haus einsetzte. Und es gibt keinen Beweis, dass Trump in einem Bunker war, als das passierte. Agenten des Secret Service hatten Trump einige Tage zuvor in den Bunker gebracht, als Protestierende sich vor dem Weißen Haus versammelten, Steine schmissen und Barrikaden wegräumten.

GESUNDHEITSVERSORGUNG

TRUMP: „Medikamentenpreise werden um 80 oder 90 Prozent sinken.“

DIE FAKTEN: Das ist ein Versprechen, nicht die Realität, und es ist eine große Spanne. Trump hat noch kein Gesetz zur Senkung von Medikamentenpreisen durch den Kongress bekommen.

Seit Januar 2017, als Trump ins Amt kam, bis August 2020 haben die Preise für Medikamente im Schnitt um 3,6 Prozent zugenommen, wie eine Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers Paul Hughes-Cromwick von der Forschungsorganisation Altarum zeigt.

REAKTION AUF DAS VIRUS

TRUMP: Der höchste Gesundheitsexperte der USA, Anthony Fauci, „sagte sehr nachdrücklich, "Masken sind nicht gut". Dann hat er seine Meinung geändert, er sagte: "Masken, gut"“.

DIE FAKTEN: Trump kehrt wichtigen Kontext unter den Teppich und erzählt die Geschichte auf eine Art, die im Laufe der Pandemie Gelerntes weglässt und Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Gesundheitsexperten aufkommen lässt.

Zu Beginn des Ausbruchs haben viele Gesundheitsbeamte dazu geraten, keine Masken zu tragen, weil sie befürchteten, dass die in Krankenhäusern benötigte Ausrüstung knapp wird.

Als die hohe Ansteckungsrate des Coronavirus, auch durch den Atem von asymptomatischen Patienten, deutlich wurde, änderte sich diese Einstellung. Mehrere hochrangige Experten verschiedener Einrichtungen stimmen darin überein, dass das Tragen von Masken und das Wahren von Abstand wichtig sind.

WIRTSCHAFT

BIDEN: Trump wird der „erste (Präsident) in der amerikanischen Geschichte“ sein, der während seiner Amtszeit Arbeitsplätze verliert.

DIE FAKTEN: Nein, wenn Trump die Wiederwahl verliert, wäre er nicht der erste Präsident, der Arbeitsplätze verloren hat. Auch unter Herbert Hoover gingen viele Arbeitsplätze verloren.

STIMMABGABE

TRUMP über die Aussicht auf Massenbetrug bei Briefwahlen: „Es ist eine manipulierte Wahl.“

DIE FAKTEN: Das ist eine übertriebene Bedrohung. Trump versucht seit Monaten, Zweifel am Wahlergebnis aufkommen zu lassen. Experten haben wiederholt gesagt, es gebe keine Anzeichen von weitreichendem Betrug bei der Briefwahl. Selbst Trumps FBI-Direktor Chris Wray sagte bei einer Kongressanhörung vergangene Woche, dass das FBI in der Vergangenheit keinerlei „koordinierte nationale Bemühungen um Wahlbetrug bei einer größeren Wahl erlebt hat, weder bei Briefwahlen noch auf anderem Wege“.

OBERSTER GERICHTSHOF

BIDEN über die für den Supreme Court nominierte Richterin Amy Coney Barrett: „Sie glaubt, dass der Affordable Care Act (das auch als Obamacare bezeichnete Gesetz zur Krankenversicherung) nicht verfassungskonform ist.“

DIE FAKTEN: Das stimmt nicht. Barrett, die nach Trumps Willen die verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg ersetzen soll, steht dem Gesetz und Gerichtsentscheidungen, die es unterstützen, kritisch gegenüber, hat aber nie gesagt, dass es nicht verfassungskonform sei.

Der Supreme Court will Argumente in dem Fall am 10. November anhören. Die Trump-Regierung hat das Gericht gebeten, das Gesetz als nicht verfassungskonform einzustufen.

VERBRECHEN

BIDEN: „Fakt ist, dass Gewaltverbrechen während unserer Amtszeit um 17 Prozent, 15 Prozent nachgelassen haben.“

DIE FAKTEN: Das ist eine Übertreibung. Von 2008, ein Jahr bevor Biden Vizepräsident wurde, bis 2016, dem letzten vollen Jahr im Amt, ließen Gewaltverbrechen um etwa zehn Prozent nach, wie Daten der Bundespolizei FBI zeigen. Von 2014 bis 2016 nahmen sie aber auch um acht Prozent zu.

(dpa)
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