Verkehrsgerichtstag in Goslar: Flensburg-Punkte für aggressives Fahren?

Goslar · Drängeln, drohen, rasen: Experten fordern, dass es für besonders unentspannte Autofahrer künftig Extra-Strafpunkte geben soll.

 Wer sich im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhält, soll künftig mit Punkten in Flensburg bestraft werden. Das fordern Experten auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar.

Wer sich im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhält, soll künftig mit Punkten in Flensburg bestraft werden. Das fordern Experten auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar.

Foto: Getty Images / iStockphoto/tommaso79

Wer auf der Straße drängelt, droht oder sich anderweitig aggressiv verhält, soll nach dem Willen des Verkehrsgerichtstags (VGT) dafür Punkte in Flensburg bekommen. Der Expertenkongress empfahl am Freitag in Goslar die Einführung eines eigenen „punktebewehrten Bußgeldtatbestands“ für „aggressives Fahren“. Zudem sollten die Fahrerlaubnis-Behörden das Recht zur Einsicht in das Bundeszentralregister bekommen, forderten die Fachleute. Falls es dort Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial im Zusammenhang mit Autofahren gebe, soll eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung für die Betroffenen angeordnet werden können. Und das Thema „Aggressivität im Straßenverkehr“ soll auch in den schulischen Lehrplänen ein höheres Gewicht bekommen. In einer Umfrage hatten jüngst 90 Prozent der Befragten eine zunehmende Aggressivität auf den Straßen beklagt. Fachleute machen dafür unter anderem eine immer höhere Verkehrsdichte und den gestiegenen Stress der Verkehrsteilnehmer verantwortlich.

Am 58. VGT nahmen knapp 2000 Verkehrsfachleute aus Justiz, Wissenschaft, Verbänden, Industrie, Ministerien und Behörden teil. Zum Abschluss gaben sie Empfehlungen zu verschiedenen aktuellen Themen – ob der Gesetzgeber auch so entscheidet, ist offen. In der Vergangenheit wurden die Empfehlungen vielfach umgesetzt – zum Beispiel der Führerschein mit 17, das Handyverbot am Steuer oder die Verschärfung des Bußgeldkatalogs folgte aus VGT-Empfehlungen. Die diesjährigen Themen:

Elektrokleinstfahrzeuge: Die in Mode gekommenen Elektro-Tretroller müssen nach den Vorstellungen des VGT künftig mit Blinkern ausgerüstet werden. Experten hatten in Goslar davor gewarnt, dass die auch als E-Scooter bezeichneten Fahrzeuge mit einer Hand nicht sicher gesteuert werden könnten, so dass das Anzeigen der Richtung mit dem Arm zu gefährlich ist. Das Führen der E-Scooter soll künftig nur mit einer Prüfbescheinigung erlaubt sein. Die bis zu 20 Stundenkilometer schnellen Roller dürfen bislang von Personen ab 14 Jahren ohne Nachweis von Kenntnissen zu Verkehrsregeln gefahren werden.

Weil E-Scooter auf Radwegen fahren müssen und dort beim Platz mit Fahrrädern konkurrieren, müssen Radwege ausgebaut werden. Eine Legalisierung ähnlicher Fahrzeuge wie Hoverboards mit zwei Rädern etwa hält der VGT aus Sicherheitsgründen für nicht sinnvoll.

Fahrausbildung: Die Probezeit von Fahranfängern, in der auch ein absolutes Alkoholverbot besteht, soll laut VGT-Experten von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Wer freiwillig an Schulungsmaßnahmen oder als Erwachsener mit über 18 Jahren am sogenannten Begleiteten Fahren teilnimmt, könne die Probezeit verkürzen.

Bußgeldverfahren: Die Bußgeldverfahren für die jedes Jahr millionenfach begangenen Verkehrsverstöße sollen einfacher und flexibler werden. So soll das Zwischenverfahren bei den Staatsanwaltschaften entfallen. Zudem soll es die Möglichkeit geben, nach der Absolvierung „verkehrs-therapeutischer“ Schulungen auf Fahrverbote zu verzichten. Auch soll es möglich sein, Verfahren gegen Auflagen einzustellen.

Fiktiver Schadenersatz: Die Möglichkeit, sich nach Verkehrsunfällen den Sachschaden aufgrund eines Kostenvoranschlags oder eines Gutachtens ersetzen zu lassen, soll bleiben. Dieser sogenannte fiktive Schadenersatz bietet nach Ansicht des VGT allen Seiten Vorteile. Ob ein Geschädigter den Schaden dann reparieren lässt oder nicht, soll ihm überlassen bleiben.

Grenzüberschreitende Unfallregulierung: Die Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche nach Verkehrsunfällen im EU-Ausland sollen auf drei bis vier Jahre vereinheitlicht werden. In Deutschland beträgt die Frist derzeit drei Jahre, in anderen Ländern ist sie teils deutlich kürzer, in Spanien etwa nur ein Jahr. Experten gehen davon aus, dass Geschädigte nach einem Unfall im Ausland ihre Ansprüche in so kurzer Zeit oft nicht durchsetzen können.

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