Escobars schlimmster Killer will in die Politik

Medellín · Er hat für den Drogenboss sogar seine Geliebte töten lassen: 250 Morde gehen auf sein Konto, 23 Jahre saß Jhon Jairo Velásquez im Gefängnis.

Männer erheben sich ehrfürchtig, als "Popeye" den Salon betritt. Er schüttelt Hände, lacht. Jhon Jairo Velásquez alias "Popeye" hat beste Manieren, er ist ein Gentleman - und ein Mörder. Von 250 Menschen. "Vielleicht waren es auch mehr, aber ich will mich jetzt nicht über die genaue Zahl streiten."

Er war die rechte Hand von Kolumbiens Kokainkönig Pablo Escobar. Velásquez zeigt, wie man einen Menschen am effektivsten erschießt. Zwei Schüsse, oberhalb der Augenpartie. Dann nimmt er einen Schluck frischgepressten Orangensaft. "Das habe ich neu zu genießen gelernt." In diesen Genuss komme "El Chapo" Guzmán ja leider nicht mehr - gleich mehrfach äußert er sein Mitleid mit dem in den USA inhaftierten Drogenboss aus Mexiko. Dieser wird wohl niemals mehr die Luft der Freiheit schnuppern können. Dass "Popeye" hier nun sitzt, grenzt an ein Wunder. Escobar wurde 1993 erschossen.

"Popeye" stellte sich, kooperierte mit der Justiz, berichtete über die Verbrechen des Medellín-Kartells - und ist daher seit mehr als zwei Jahren wieder ein freier Mann. Auf Bewährung, er machte Diplome im Gefängnis und führte sich vorbildlich, wie es hieß. Angst vor Racheakten? "Ich weiß aufzupassen." Er sagt, dass er gebüßt und bei Angehörigen von Opfern um Verzeihung gebeten habe, aber echte Reue?

Eine Frau schrie ihn jüngst auf der Straße als "Mörder, Mörder" an. Er bestreitet aber, sie daraufhin bedroht zu haben. In Armenvierteln wie dem Barrio Pablo Escobar, die das Kartell unterstützte, gibt es hingegen noch viele Unterstützer. Er polarisiert, er ist auch ein Spiegelbild der gespaltenen Gesellschaft. Medellíns Bürgermeister Federico Gutiérrez fürchtet, dass "Popeye" wieder ein Problem werden könnte: "Das Land braucht einen Pakt, damit die Leute nicht weiter hofiert werden, die uns so viel Leid zugefügt haben.

In "Popeyes" Zelle hing ein Bild der Jungfrau Maria - und er hat sich ein Jesus-Bildnis auf den Arm tätowieren lassen. Mit dem Gebot "Du sollst nicht töten" hat er es aber nicht so genau genommen. Im Juni soll nach der Serie "Narcos" über Escobar eine Serie über "Popeye" auf Netflix laufen. Er hat ein Buch geschrieben, macht mit dem eigenen Mythos Geld. Widmungen schreibt er als "Der Mörder des Vertrauens von Pablo Escobar" - und hat ein Stempelkissen dabei, um seinen Fingerabdruck als Signatur zu hinterlassen. Zehntausende folgen ihm in sozialen Netzwerken. Auf Twitter bezeichnet er sich heute als "politischen Aktivisten und Verteidiger der Menschenrechte", ausgerechnet. "Ja, ich will Senator werden", sagt er. 2018 ist die nächste Wahl - allerdings müsste dafür erst das Gesetz geändert werden, mit seinen Vorstrafen darf man bisher gar nicht kandidieren. Er ist nicht zimperlich, den Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos beschimpft er als "korrupte Ratte". Und im Kampf gegen den Kokainhandel, der ihn einst reich machte, lautet sein Rezept: "Man muss es legalisieren."

Die Zahlen seiner Geschichte rattert er herunter, als ginge es um Fußball. 250 Morde durch seine eigene Hand, rund 3000 Mordaufträge. "Wir ließen 250 Bomben im Land hochgehen, haben 540 Polizisten getötet und 800 verletzt." Auf den Einwand, dass ein solcher Mörder in Europa nicht so hofiert würde, auch wenn er 23 Jahre und drei Monate im Gefängnis abgesessen hat, entgegnet der 54-Jährige: "Esto es el trópico." Frei übersetzt: In Kolumbien ist alles etwas anders.

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