„Es gibt keine gerechte Strafe“

Berlin · Der junge Mann mit dem rotem Basecap starb an Gehirnblutungen. Jonny K. wurde nahe dem Berliner Alexanderplatz zusammengeschlagen. Nun sind sechs Angreifer verurteilt. Dennoch bleiben Fragen offen.

Der grauhaarige Richter wandte sich fast tröstend an die Mutter des toten Jonny K. und dessen Schwester Tina im Saal 700 des Berliner Landgerichts: "Ich weiß, dass kein Prozess Ihnen den Sohn und Bruder zurückbringen kann." Zehn Monate nach der tödlichen Prügel attacke in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes sprach Richter Helmut Schweckendieck gestern sechs Schläger schuldig.

Ex-Boxer Onur U. (20) bekam mit viereinhalb Jahren Haft die höchste Strafe (Jugendstrafe). Was sich in der Nacht zum 14. Oktober 2012 genau abgespielt hat und ob der 20 Jahre alte Jonny durch Tritte, einen Schlag oder Sturz gestorben ist, das hat das Gericht nicht mit Sicherheit klären können. Doch laut Urteil steht fest: Onur U., der Ex-Boxer, hat als Erster zugeschlagen und Jonny K. einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

"Das war das Signal" für die Attacke aller, sagte der Richter. Nach Schlägen und Tritten sei das Opfer "wie ein Sack" auf das Pflaster gestürzt. Mehrere Angreifer hätten auch dann noch auf den Kopf des Bewusstlosen eingetreten. Im Prozess hatten das alle abgestritten. Für den Tod des Schülers wollte keiner verantwortlich sein. Wer getreten habe, "der muss es mit seinem Gewissen ausmachen", so der Richter. Auch ein Freund von Jonny K. wurde schwer verletzt.

Onur U., dreimal wegen Gewaltdelikten vorbestraft und monatelang in der Türkei untergetaucht, müsse sich wegen des ersten Schlages die Körperverletzung mit Todesfolge zurechnen lassen - auch wenn dieser Schlag vielleicht nicht tödlich war, hieß es im Urteil. Drei junge Männer bekamen Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten, zwei kassierten Jugendstrafen von zwei Jahren und drei Monaten Haft. Der Richter sprach von einer "Tat ohne jeden Anlass", "völlig bedenkenlos". Jonny K. war nach einer Feier mit Freunden auf dem Weg nach Hause, als sie auf die andere Gruppe trafen und die "Tragödie" begann. Alle hatten Alkohol getrunken.

Jonnys Schwester hatte jeden Prozesstag verfolgt. Nach dem Urteil sagte Tina K.: "Es gibt keine gerechte Strafe". Trotzdem sei sie froh, dass alle Haftstrafen bekamen. Wie steht man so einen Prozess durch? "Die Kraft kommt von meinem Bruder", sagte die 28-Jährige. Sie setze sich weiter mit ihrem Verein für ein friedliches Miteinander ein. Für ihr Engagement gegen Gewalt bekam die junge Frau bereits den Medienpreis Bambi.

Eine "Mischung aus Dummheit, Arroganz, Unverschämtheit und Aggressivität" warf der Richter dem Hauptschuldigen vor, während Onur U. hilflos grinsend auf seinem Platz umherrutschte. Sein Verteidiger Axel Weimann kündigte bereits Revision an. Bis auf den 20-Jährigen sind die vom Landgericht verurteilten Angreifer zunächst auf freiem Fuß. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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