Entschädigung für Missbrauchsopfer

Heppenheim. Nach dem Dämpfer der Befreiungsschlag: Die seit einem halben Jahr von Missbrauchsfällen erschütterte Odenwald-Schule will den mehr als 50 Opfern insgesamt mindestens 100 000 Euro zahlen. Der Sprecher des Schulvorstands, Johannes von Dohnanyi, nannte gestern zwar keine genaue Höhe, sprach aber von einem "sechsstelligen Betrag"

Heppenheim. Nach dem Dämpfer der Befreiungsschlag: Die seit einem halben Jahr von Missbrauchsfällen erschütterte Odenwald-Schule will den mehr als 50 Opfern insgesamt mindestens 100 000 Euro zahlen. Der Sprecher des Schulvorstands, Johannes von Dohnanyi, nannte gestern zwar keine genaue Höhe, sprach aber von einem "sechsstelligen Betrag". Er soll noch in diesem Jahr ausgezahlt werden. Durchschnittlich wären das rund 2000 Euro pro Person. Noch am Montag hatte es so ausgesehen, als würden die Betroffenen praktisch leer ausgehen. Die frühere Bundesfamilienministerin und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) - sie unterstützt die Schule bei der Neuausrichtung - hatte nach einem Besuch der Einrichtung im südhessischen Heppenheim im Beisein der Leitung die Frage einer Entschädigung als "ungelöst" bezeichnet. Die Schule habe dafür gar kein Geld. Mit der neuen Nachricht reiht sich die Reformschule in die Reihe derer ein, die Opfer entschädigen und das, obwohl die sexuellen Übergriffe juristisch verjährt sind. Zuvor hatten als kirchliche Einrichtungen das Benediktinerkloster Ettal sowie der Jesuitenorden Opfern sexueller Gewalt Entschädigungen angeboten. Die Übergriffe an dem Elite-Internat liegen zwar schon länger zurück, sorgen aber seit März für großes Aufsehen. Sie sind Teil einer Welle von Fällen, die bundesweit erschüttern. An der Schule sollen zwischen den 1960er und Anfang der 1990er Jahre Lehrer Schüler missbraucht haben, meistens Jungen. Allein der inzwischen gestorbene Schulleiter Gerold Becker soll sich an 17 Jungen vergangen haben. Er hatte in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und sich entschuldigt. Im Juli hatte die Schule bekannt gegeben, einen Fonds für Missbrauchsopfer einzurichten, ohne damals schon Umfang und Zeitraum zu nennen. Für Opfer-Anwalt Thorsten Kahl ist die in Aussicht gestellte Summe zu niedrig. "Das kann nichts bringen", sagte er. "Allein die Therapiekosten für meine Mandanten sind höher." Kahl vertritt sieben Opfer, die Geld verlangen. Manche von ihnen könnten als Spätfolge noch nicht einmal einen Beruf ausüben. Der Vorsitzende des Schulvorstands, Michael Frenzel, sagte: "Es geht nicht um Schmerzensgeld, sondern um Hilfe. Der Betrag wird der Schule wehtun. Wir müssen aber etwas unternehmen." Geplant sei, das Geld dem Anfang September gegründeten Opfer-Verein "Glasbrechen" zur Verfügung zu stellen, der dann alles andere regeln solle. "Die Odenwald-Schule ist da juristisch in einer anderen Situation als die Kirche", sagte Frenzel. dpa

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