Enthüller unter Verdacht

Köln · Günter Wallraff enthüllt bei RTL Missstände, sei es in einzelnen Burger-King-Filialen oder in Pflegeheimen. Damit traf der Enthüller die Zuschauer „in den Magen“. Das Magazin „Der Spiegel“ erhebt jetzt Vorwürfe.

Es war eine Premiere für ihn: Enthüllungsautor Günter Wallraff hat diesmal im Team gearbeitet - verdeckt natürlich. Themen und Mannschaft hat er gemeinsam mit dem Privatsender RTL ausgewählt. Um gravierende Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen in bestimmten Burger-King-Filialen ging es im ersten TV-Bericht Ende April. Teilweise schockierende Missstände in Pflegeheimen zeigte die zweite Folge von "Team Wallraff - Reporter Undercover" am 5. Mai. "Diese unglaublich starke Resonanz auf die Berichte habe ich nicht erwartet", sagt der Kölner Autor. Warum er erstmals auf einen Alleingang verzichtet hat? Wallraff: "Es gibt einfach Rollen, die mir aufgrund meines Alters nicht mehr vergönnt sind", sagt der 71-Jährige. Sich mit falscher Identität in die unteren Ebenen der Arbeitswelt oder in Gruppen ohne Lobby einzuschleusen, um die erlittenen Verhältnisse später anzuprangern, ist seine typische Arbeitsweise seit Jahrzehnten.

Wallraff stellt klar, es gehe ihm nicht um die gesamte Kette Burger King, sondern um einen speziellen Besitzer von 90 Franchise-Läden. "Dort war Arbeitsunrecht an der Tagesordnung." Und: "Mein Ziel ist es, hier Empörung auszulösen und die Willkür des Betreibers zu stoppen und auch die des Anwalts, der ebenfalls treibende Kraft ist und gegen unliebsame Arbeitskräfte wütet." Die Zentrale von Burger King (BK) habe sich nun von beiden getrennt.

Die Macht dazu hatte der Verbraucher: "Ohne den Boykott der Konsumenten wären die eingeleiteten Verbesserungen nicht möglich gewesen", sagt der Journalist. Einige Filialen seien menschenleer. Ähnlich wie vor rund 30 Jahren - damals berichtete Wallraff nach seinem Einsatz als vermeintlicher Hilfsarbeiter Ali bei McDonald's über dortige "Ekel-Zustände" - zeige sich nun erneut auch bei BK: "Die hygienischen Mängel sind der große Aufreger. Das trifft die Leute in den Magen."

Die BK-Zentrale hat einige Filialen vorübergehend geschlossen, Sonderinspektionen durchgeführt. Der Deutschland-Chef von BK, Andreas Bork, klagt über Umsatzeinbußen und kündigte an, man werde auch bei dem umstrittenen Franchise-Nehmer Bezahlung nach Tarif durchsetzen. Laut NRW-Verbraucherschutzministerium haben sich die benannten Mängel durch zusätzliche amtliche Kontrollen in den beanstandeten Filialen allerdings bisher nicht bestätigt, wie eine Sprecherin sagt. Die von Wallraff geschilderten Vorfälle könnten aber nicht ausgeschlossen werden.

Für Wirbel sorgte gestern der Vorwurf des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Demzufolge hat Wallraff im Jahr 2010 einige Male mit McDonald's zusammengearbeitet und habe zwei Mal gegen Honorar an Diskussionsrunden teilgenommen. Der Autor weist zurück, dass dies in irgendeinem Zusammenhang mit den aktuellen Enthüllungen bei Burger King stehe. "Ich sehe nichts Verwerfliches darin, Honorare, die andere in der Regel für sich beanspruchen, an eine wegen ihrer Meinungsäußerung gekündigte Betriebsrätin weitergeleitet zu haben oder für gemeinnützige Stiftungszwecke zu verwenden", betonte er.

Der TV-Bericht über untragbare Bedingungen in einigen Pflegeheimen und über kriminelle Machenschaften einzelner ambulanter Pflegedienste hat ebenfalls Wellen geschlagen. Das betrügerische Vorgehen schwarzer Schafe in der Branche ist auch dem Berliner Politiker Stephan von Dassel (Grüne) ein Dorn im Auge: Die illegale Abzocke durch diese ambulanten Anbieter summiere sich auf Großbeträge, sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte. Allein in Berlin liegen der Polizei 150 Anzeigen gegen Pflegedienste vor, schildert von Dassel. Diese Verbrechensform sei angesichts mangelnder Transparenz und Kontrolle praktisch risikolos. Der Pflegedienst, den das Wallraff-Team ins Visier genommen hatte, werde wohl die Zulassung verlieren. "Der Film hat etwas bewirkt." Mit der dritten Reportage, die heute ausgestrahlt wird, endet die erste Staffel. Das Thema will RTL bis zur Ausstrahlung geheim halten.

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