Eis, mit Vorsicht zu genießen

Berlin. Anfang Juni startete Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine große Kampagne: "Achtung Käseschwindel - wo Käse draufsteht, muss auch Käse drin sein", hieß die Aktion. Inzwischen ist vielen Verbrauchern bekannt, dass die Lebensmittelindustrie für immer mehr Pizzas oder überbackene Brötchen ein Käse-Imitat, den so genannten Analog-Käse, verwendet

Berlin. Anfang Juni startete Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine große Kampagne: "Achtung Käseschwindel - wo Käse draufsteht, muss auch Käse drin sein", hieß die Aktion. Inzwischen ist vielen Verbrauchern bekannt, dass die Lebensmittelindustrie für immer mehr Pizzas oder überbackene Brötchen ein Käse-Imitat, den so genannten Analog-Käse, verwendet. Er enthält keine Milch und ist dadurch rund 40 Prozent billiger. Doch die Wenigsten wissen, dass es auch kaum noch Milch im Eis gibt.

Pro Kopf acht Liter im Jahr

Die Sommersaison hat begonnen. Gut 550 Millionen Liter Speiseeis verdrücken die Deutschen jedes Jahr, das entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund acht Litern. So lecker Erdbeere, Vanille oder Schoko auch schmecken mögen, die Hersteller haben Milchprodukte weitestgehend aus ihren Rezepturen genommen und dafür kostengünstigere Imitate eingesetzt, beklagt der Bauernverband. Das sei ein Grund dafür, weshalb der Milchverbrauch zu Lasten vieler Landwirte zurückgegangen sei. Auch Ministerin Aigner ist sauer: Es sei nicht hinnehmbar, "Milch durch Pflanzenfett-Mischungen in vielen Produkten zu ersetzen wird". Sie will auf EU-Ebene Gegenwehr aktivieren.

Wer als Hersteller statt Milch oder Sahne einfach billiges Palmfett verwendet, muss das allerdings auch kennzeichnen. Steht also nur "Eis" auf der Packung, ist laut Verbraucherzentralen billiges pflanzliches oder Kokosfett in einem hohen Anteil zu erwarten. Wer sein Produkt als "Eiscreme" bezeichnet, muss laut den "Leitsätzen für Speiseeis" mindestens zehn Prozent Milchfett verwenden. Rahm- und Sahneeis müssen sogar 18 Prozent beinhalten.

Verbraucherschützer warnen

Gerade bei industriell hergestellten Produkten sollte man sich Aufschriften und Zutatenlisten genau anschauen, warnen Verbraucherschützer.

Zuständig für die "Leitsätze" zur Beschaffenheit von Nahrungsmitteln ist die "Lebensmittelbuch-Kommission", ein 31-köpfiges Gremium mit Experten aus der Industrie, der Wissenschaft, dem Verbraucherschutz und der Herstellung. Es erarbeitet momentan neue Vorgaben, und nach Informationen dieser Zeitung sollen die Milchanteile bei den verschiedenen Eissorten noch weiter gesenkt werden. Verbraucherschützer und Bauernverband wehren sich indes dagegen, den Konzernen entgegenzukommen. In der Kommission soll darüber heftiger Streit entbrannt sein.

Die Vorsitzende des Verbraucherausschusses des Bundestages, Ulrike Höfken (Grüne), beklagt den Vormarsch von Imitaten in Lebensmitteln ebenfalls. In keinem anderen europäischen Land gebe es eine so "maßlose Panscherei mit Imitaten, Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern" wie in Deutschland, so Höfken gegenüber unserer Zeitung.

Der Hamburger Experte Armin Valet weiß, dass auch in mancher Eisdiele getrickst wird - und zwar nicht nur bei der Milch. Weil dort das Eis als "lose Ware" gelte, fehlten oft Hinweise auf die Zutaten. So komme es vor, dass in Stracciatella keine Schokolade sei, "sondern fetthaltige Kakaoglasur." Das Erdbeereis schmecke zwar nach Erdbeere, "aber der Geschmack kommt nur von Aromastoffen". Und beim Vanilleeis, so Valet, werde häufig nur das Aroma Vanillin benutzt. Doch er ergänzt: "Man muss aber auch klar sagen, dass dieses Eis nicht schädlich ist."

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