Eingekerkert im Elternhaus

Rom/Caserta. Es fällt schwer, auch nur annähernd die Leiden nachzuvollziehen, die Maria M. 18 Jahre lang ertragen musste. Eingekerkert von ihrer eigenen Familie lebte die heute 47-Jährige in einem völlig verschmutzten Zimmer ihres Elternhauses in Süditalien, zwischen Müll, Exkrementen und entsetzlichem Gestank

Rom/Caserta. Es fällt schwer, auch nur annähernd die Leiden nachzuvollziehen, die Maria M. 18 Jahre lang ertragen musste. Eingekerkert von ihrer eigenen Familie lebte die heute 47-Jährige in einem völlig verschmutzten Zimmer ihres Elternhauses in Süditalien, zwischen Müll, Exkrementen und entsetzlichem Gestank. Ihr einziges "Verbrechen": Vor 17 Jahren hatte sie ein nichteheliches Kind zur Welt gebracht. Den Carabinieri, die die Frau am Freitag befreiten, bot sich ein Bild des Grauens, einer der Beamten sprach von "unbeschreiblichen hygienischen Zuständen". Erinnerungen an das österreichische Amstetten und Elisabeth Fritzl werden wach. Ein fensterloser Raum, eingerichtet lediglich mit einem Bett und einem Stuhl sowie einer angrenzenden, aber wohl schon seit Jahren funktionsuntüchtigen Toilette - das war fast 20 Jahre lang das ganze Leben von Maria M. Als die von einem anonymen Anrufer verständigten Carabinieri zu dem Haus in dem kampanischen Örtchen Santa Maria Capua Vetere kommen, denken sie zunächst an eine Routine-Kontrolle. "Nie hätten sie erwartet, ein solches Inferno vorzufinden", brachte es die Zeitung "La Repubblica" auf den Punkt. Das Szenario könnte aus einem Horror-Film stammen: Die Frau sitzt spärlich bekleidet auf dem völlig verdreckten Bett. Sie weist offensichtliche psychische Störungen auf und ist zunächst nicht in der Lage, zu sprechen. Überall liegen Exkremente und Zigarettenkippen herum. Das Essen wurde ihr offenbar in einer Art Napf gebracht. Derzeit wird Maria M. in einem Krankenhaus in Neapel behandelt. Was aber fast noch mehr schockiert, ist die Reaktion der Familie: Medien berichteten, Mutter, Schwester und Bruder der Eingesperrten habe die Reaktion der Einsatzkräfte überrascht. Sie konnten den Grund für das ganze Aufhebens überhaupt nicht verstehen - für sie sei es völlig normal gewesen, Maria M. für die "Schande" des nichtehelich gezeugten Kindes wegzusperren. Die 80-jährige Mutter wurde wegen ihres hohen Alters unter Hausarrest gestellt. Bruder Prisco (45), der als Landwirt arbeitet, und Schwester Michelina (51), die Grundschullehrerin ist, sitzen im Gefängnis und sollen in den nächsten Tagen eingehend verhört werden. Der 17-jährige Sohn, der bei der Familie aufgewachsen ist und ganz normal eine Schule besucht, soll von der Lage seiner Mutter gewusst haben.

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