Eine Gefahr am Steuer?

Goslar/Saarbrücken · Weniger sehen, schlechter hören, langsamer reagieren: Im Alter kann das Autofahren mühsamer werden. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutieren Experten heute und morgen über Fahr-Checks für Senioren.

 Für Senioren ab 75 fordern Verkehrsexperten verpflichtende Fahrtauglichkeitstest. Foto: dpa

Für Senioren ab 75 fordern Verkehrsexperten verpflichtende Fahrtauglichkeitstest. Foto: dpa

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Ein 79-Jähriger verwechselt das Gas- mit dem Bremspedal und rammt beim Ausparken eine Hauswand. Fahrer verletzt, 8000 Euro Schaden. Schlagzeilen wie diese aus Völklingen vor rund vier Jahren gibt es häufiger. Ihnen folgt in schöner Regelmäßigkeit eine Debatte über Fahrtauglichkeitstests für Senioren und einen Führerschein auf Zeit.

Von heute an beschäftigt sich der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar damit, ob Auflagen oder Pflichtuntersuchungen für höhere Lebensalter eingeführt werden müssen. Rund 2000 Verkehrsexperten reden auch über Fahrverbote für Straftäter oder höhere Strafen für Smartphones am Steuer.

Die Debatte um ältere Autofahrer ist hoch emotional. Schließlich ist das Auto für die meisten Senioren zentrales Mittel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Versicherungen und Verkehrsrechtler sehen dennoch Handlungsbedarf: Vom 75. Lebensjahr an sollten Senioren eine verpflichtende Kontrollfahrt an der Seite eines Fahrlehrers absolvieren, fordert etwa der Chef der Unfallforschung des Versicherungsverbands GDV, Siegfried Brockmann. Das Ergebnis solcher Fahrten solle vertraulich bleiben und nur eine Empfehlung sein. Zur Begründung verweist Brockmann auf Daten des Statistischen Bundesamtes von 2015. Demnach verursachten Senioren zwar absolut gesehen weniger Unfälle als Fahranfänger. "75 Prozent der Unfälle mit Personenschaden, an denen Senioren über 75 Jahre beteiligt waren, haben sie aber selbst verursacht", sagte er. Ebenfalls ab 75 sollten medizinische Tests auf Fahrtüchtigkeit Pflicht sein, fordert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Denn die Gefahr, schwer oder tödlich verletzt zu werden, steige im Alter. Senioren seien dabei nicht nur ein Risiko für sich selbst, sondern auch für andere. Jeder zweite Geisterfahrer sei älter als 65. In europäischen Staaten wie Norwegen, Schweden oder den Niederlanden seien ärztliche Tests ab 70 längst Pflicht. Die deutsche Politik tut sich damit schwer. "Pflicht-Tests für Senioren am Steuer wird es nicht geben", erklärte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) vor einem Jahr.

Der Psychologe Georg Rudinger sieht auch rechtliche Schranken. Für Pflicht-Tests müsste erst mal nachgewiesen werden, dass ältere Fahrer ein größeres Gefahrenpotenzial darstellten. Ansonsten wäre die Einführung eine "nicht zulässige Altersdiskriminierung".


"Das empfinde ich als Diskriminierung"

Gerhard Ballas, Chef des Landesseniorenbeirats im Saarland, sieht eine Pflicht zu Fahrtests im Alter kritisch

Wer alt ist, baut nicht automatisch Unfälle, sagt Gerhard Ballas, Vorsitzender des saarländischen Seniorenbeirats. Über das Problem verpflichtender Fahrtests im Alter sprach er mit SZ-Redakteurin Frauke Scholl.


Herr Ballas, Sie sind 73. Aus Sicht einiger Verkehrsexperten wären auch Sie eine potenzielle Gefahr im Straßenverkehr und müssten bald zu einem Fahr-Test. Würden Sie hingehen?

Ballas: Grundsätzlich hätte ich kein Problem mit einer Gesundheitsüberprüfung zur Feststellung meiner Fahrtüchtigkeit. Auch nicht mit einer Fortbildung als Sicherheitsfahrkurs. Eine Nachprüfung im Sinne einer zweiten Führerscheinprüfung würde ich aber ablehnen. Nach 54 unfallfreien Jahren verschließt sich mir die Einsicht, noch einmal eine Prüfung abzulegen. Dass ich - und alle Senioren - eine potenzielle Gefahr für den Straßenverkehr darstelle, empfinde ich als hochgradige Diskriminierung.

Sind ältere Menschen also keine Gefahr für den Straßenverkehr ? Schließlich lässt die Reaktionsfähigkeit im Alter nach.

Ballas: Ein klares Nein auf die Frage. Da bedarf es der Aufklärung, wie es etwa 2012 bei einer Tagung der Senioren-Sicherheitsberater im Saarland mit der Polizei der Fall war. Die aktuelle Unfallstatistik habe ich nicht präsent, nur so viel: Ja, die Senioren sind auch Verursacher von Unfällen, aber bei den schweren Unfällen sind sie es prozentual nicht. Zurückgehende Reaktionsfähigkeit bedingt auch nicht automatisch, dass ich zu einer Gefahr im Straßenverkehr werde. Eine angepasste und vorausschauende Fahrweise vermeidet allgemein Situationen, in denen Reaktionsfähigkeit in hohem Maße erforderlich ist.

Was spricht gegen die Forderung nach einem regelmäßigen Fahreignungstest ab 75?

Ballas: Was sollte der denn beinhalten? Praktische und theoretische Kenntnisse? Wenn ja, dann bitte in jedem Alter, wenn fahrlässiges oder unfallträchtiges Fahrverhalten erfasst wurde. Einen Gesundheitscheck auf Basis einer Art Vorsorgeuntersuchung, deren Kosten der Einzelne nicht tragen muss, könnte ich mir ab dem 75. Lebensjahr vorstellen. Als Anreiz vielleicht verbunden mit einem Malus oder Bonus in der Versicherungsprämie. Aber das Ganze bitte nicht als Zwang, sondern als selbstverantwortliches Tun des Einzelnen.

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