Ein Verbrechen, das keines sein darf?

Orlando. Es war, daran gibt es von der Faktenlage keine Zweifel, ein ungleiches Duell. Trayvon Martin, ein schmächtiger 17-jähriger Schüler, war auf dem Heimweg vom Lebensmittelmarkt. Es regnete, er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. In seinen Taschen trug der Farbige eine Tüte Bonbons und eine Dose Limonade

 Demonstranten fordern Gerechtigkeit für den toten Trayvon Martin. Foto: dpa

Demonstranten fordern Gerechtigkeit für den toten Trayvon Martin. Foto: dpa

Orlando. Es war, daran gibt es von der Faktenlage keine Zweifel, ein ungleiches Duell. Trayvon Martin, ein schmächtiger 17-jähriger Schüler, war auf dem Heimweg vom Lebensmittelmarkt. Es regnete, er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. In seinen Taschen trug der Farbige eine Tüte Bonbons und eine Dose Limonade.George Zimmerman, ein 28 Jahre altes Mitglied einer privaten Nachbarschafts-"Bürgerwache", saß in seinem Jeep und fuhr Streife. Am Körper trug der 200 Pfund schwere Mann eine Neun-Millimeter-Pistole und ein Handy.

Mehr als 50 Mal, so stellte sich heraus, hatte der Hobby-Gesetzeshüter bereits in diesem Jahr den Polizeinotruf gewählt und die Sheriffs der Stadt Sanford (Florida) alarmiert, weil ihm etwas merkwürdig vorkam. Zimmermann ist ein Weißer, den es einst in den Polizeidienst zog, der aber wegen seiner Vorstrafen abgelehnt wurde.

Am Abend des 26. Februar 2012 erregte der durch die Nachbarschaft nach Hause schlendernde Trayvon Martin den Verdacht von Zimmerman, wie er der Polizei meldete. Warum, dazu gibt es bisher keine konkrete Angaben. Nur die vage Aussage: "Der Kerl sieht nicht so aus, als ob er Gutes tun würde." Die Polizei-Einsatzzentrale forderte Zimmerman auf, in seinem Wagen sitzen zu bleiben und nicht dem Jungen zu folgen. Man werde Streifen schicken. Doch Zimmerman wollte der Aufforderung nicht folgen: "Er rennt weg. Diese Arschlöcher schaffen es doch immer, abzuhauen", sagte er wörtlich in dem Mitschnitt des Telefonats. Wenige Sekunden später hörten Zeugen in der Nachbarschaft Hilferufe - und dann Schüsse. Als die erste Streife eintraf, lag der Schüler sterbend im Gras, eine Kugel in der Brust. Zimmerman stand neben ihm, hatte die Pistole auf den Boden gelegt. "Es war Selbstverteidigung," sagte er den Beamten. Er hatte Blut im Gesicht, der Junge muss sich gewehrt haben. Glaubte Trayvon, dass der körperlich ihm weit überlegene Zimmerman ihn berauben wollte? Gut möglich.

Die diensthabenden Ermittler nehmen jedenfalls die Darstellung des auf dem Revier bekannten Nachbarschaft-"Wächters" für bare Münze. Zimmerman wird nicht festgenommen, sein Blut wird nicht auf Alkohol oder Drogen getestet. Und man sieht auch keinen Grund zur Verhaftung, weil der Todesschütze, so teilte die Polizei zunächst den Eltern des Schülers mit, eine "lupenreine Vergangenheit" habe. Eine Lüge, wie jetzt bekannt wurde: Zimmerman war 2005 wegen Körperverletzung verhaftet worden.

Nicht nur für viele US-Medien, sondern auch für den Anwalt der Eltern des Ermordeten ist mittlerweile klar, dass die Hautfarbe der Beteiligten und Rassen-Vorurteile für das Tötungsdelikt verantwortlich sind. "Hätte Trayvon die Schüsse abgefeuert, hätte er sagen können, was er wollte, er wäre als Schwarzer zweifelsohne verhaftet und angeklagt worden", glaubt der Jurist Benjamin Crump. Und die "New York Times" stellte am Wochenende Fragen, denen die Polizei von Sanford bisher ausgewichen ist: Warum fand Zimmerman Trayvon überhaupt verdächtig? Warum verfolgte er den Jungen, obwohl die Polizei davon abriet?

Kein Wunder, dass sich derzeit die Rufe nach Gerechtigkeit für Trayvon mehren, der am 3. März zu Grabe getragen wurde. Die Gruppe "MoveOn", die unter anderem Barack Obama mit ihrer Graswurzelkampagne 2008 ins Weiße Haus hievte, will ein Verfahren gegen den Täter erreichen. Das FBI hat sich eingeschaltet und prüft offenbar eine Übernahme der Ermittlungen. Doch das Gesetz in Florida gibt Waffenbesitzern dort breite Rechte: Wer gute Gründe dafür sieht, sich bedroht zu sehen, darf sich in diesem Bundesstaat notfalls auch mit tödlicher Gewalt wehren.

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