Ein Unglück, kein Schuldiger

La Coruña · Der Untergang des Öltankers „Prestige“ verursachte die größte Umweltkatastrophe der spanischen Geschichte. 1600 Kilometer Küste wurden verseucht. Jetzt das Urteil: Niemand war strafrechtlich verantwortlich.

Vor dem Gerichtspalast demonstrierten Umweltschützer. "Schluss mit der Straflosigkeit", prangte auf einem Plakat. Ihr Appell blieb ungehört. Das Landgericht in La Coruña zog einen überraschenden Schlussstrich unter die größte Tankerkatastrophe Spaniens. Alle drei Angeklagten wurden von jeglicher Schuld freigesprochen. Das Urteil wurde genau elf Jahre nach der Havarie des griechischen Schrott-Tankers "Prestige" vor der spanischen Atlantikküste verkündet.

Unabhängig von der Schuldfrage wurde der inzwischen 78-jährige Kapitän wegen "schweren Ungehorsams" zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Grieche Apostolos Mangouras, der am 13. November 2002 das Kommando führte, hatte es abgelehnt, sein vor der Küste leckgeschlagenes Schiff weiter auf hohe See schleppen zu lassen. Es war stürmisch und der Kapitän befürchtete, dass der mit 77 000 Tonnen Schweröl beladene Tanker auseinanderbrechen könnte. Spaniens konservative Regierung ordnete damals trotzdem an, die "Prestige" möglichst weit weg von der Küste zu bugsieren. Rund 250 Kilometer von Spaniens Stränden entfernt brach das altersschwache Schiff sechs Tage später tatsächlich auseinander und sank. Die giftige Ladung ergoss sich ins Meer, trieb Richtung Land und verseuchte mehr als 1600 Kilometer Atlantikküste von Portugal über Spanien bis nach Frankreich.

Der Prozess, der gut ein Jahr dauerte, ließ die meisten Fragen dieser Umweltkatastrophe unbeantwortet. Allen voran die Frage nach der Schuld. Der Gerichtsvorsitzende Juan Luis Pía sagte, man habe die genaue Unfallursache nicht herausgefunden. Deswegen könne man auch nicht über die "strafrechtliche Verantwortung" urteilen. Man ahne nur, dass der damals 26 Jahre alte Tanker wohl in "mangelhaftem Zustand" gewesen sei, auch wenn in den Schiffspapieren die völlige Sicherheit bescheinigt worden sei.

Auf der Anklagebank saßen nur drei Personen: Kapitän Mangouras, sein Chefmaschinist und der damalige Leiter der spanischen Seefahrtsbehörde. Das übliche undurchsichtige Beziehungsgeflecht im Tankergeschäft machte es offenbar schwierig, weitere mutmaßliche Verantwortliche zu orten. Die "Prestige" fuhr unter einem griechischen Reeder, hatte liberianische Eigentümer, war von einem Schweizer Rohstoffkonzern gechartert worden und im Billigflaggenland Bahamas registriert. Auch Spaniens konservative Regierung wusch ihre Hände in Unschuld. Dabei hatte ein Ermittlungsbericht ihr vorgeworfen, den havarierten Tanker auf "selbstmörderischen Kurs" geschleppt zu haben.

Mangels klar identifizierter Schuldiger werden Spanien, Portugal und Frankreich den größten Teil der Ausgaben für Küsten- und Meeresreinigung selbst zahlen müssen. Nur ein Bruchteil der auf 4,3 Milliarden Euro geschätzten Summe ist durch Versicherungen gedeckt.

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