Ein Psychiater dreht durch

Fort Hood. Auf Jeannie Strickland machte der Major einen ganz normalen Eindruck als er wie jeden Morgen seine Bratkartoffeln zum Frühstück bestellte. Nidal Malik Hasan (39) zeigte keine Anzeichen von Stress, Sorgen oder Nervosität. "Er war wie immer", erzählt die Kellnerin im örtlichen "7-Eleven" Reportern

Fort Hood. Auf Jeannie Strickland machte der Major einen ganz normalen Eindruck als er wie jeden Morgen seine Bratkartoffeln zum Frühstück bestellte. Nidal Malik Hasan (39) zeigte keine Anzeichen von Stress, Sorgen oder Nervosität. "Er war wie immer", erzählt die Kellnerin im örtlichen "7-Eleven" Reportern. Ein etwas schüchterner, aber stets höflicher Stammkunde, der seit seiner Verlegung auf die größte US-Militärbasis hier meist seinen Tag begann. Ein paar Stunden später verwandelt sich der Militärpsychiater, der Rückkehrern aus Afghanistan und Irak half, mit den mentalen Folgen der Kriegserfahrung zurecht zu kommen, in ein Monster. Kurz nach Mittag betritt Hasan ein medizinisches Zentrum, das Soldaten vor und nach ihrer Stationierung im Ausland untersucht. Bewaffnet mit einer automatischen Pistole und einem Gewehr richtet der Psychiater ein Blutbad unter seinen Kameraden an. Als das Heulen der Sirenen auf dem weitläufigen Gelände der Kasernenstadt verhallt, zählt die Militärpolizei 13 Tote und 30 Verletzte. "Es hätte schlimmer kommen können", versucht Generalleutnant Robert W. Cone dem Horror von Fort Hood einen positiven Aspekt abzuringen. Einem der blutigsten Amokläufe auf einer amerikanischen Militärbasis in der Geschichte der US-Streitkräfte. Dank des couragierten Eingreifens einer Polizistin, die Hasan mit vier Schüssen niederstreckt, endet das Massaker kurz vor zwei Uhr mittags. Seitdem überschlagen sich die Fragen. Was trieb den Sohn einer palästinensischen Einwanderer-Familie zu der Wahnsinnstat? Religiös motivierter Hass gegen sein eigenes Land, wie in rechten Talkshows über den Muslim spekuliert wird? Oder Ärger über seine bevorstehende Entsendung an die Front, wie Kameraden vermuten? Seine Tante mutmaßt, er habe die ständigen Sticheleien nicht mehr ertragen, denen er seit dem 11. September wegen seines Glaubens ausgesetzt war. "Wir versuchen jede einzelne Frage zu klären", verspricht Präsident Barack Obama. Es sei schwer genug, den Verlust von Männern und Frauen auf dem Schlachtfeld hinnehmen zu müssen. "Es ist fürchterlich, wenn sie auf einer Militärbasis auf amerikanischem Boden unter Beschuss geraten." Hasan wird zurzeit in einem Krankenhaus behandelt und ist derzeit noch nicht vernehmungsfähig. Dringend interessiert die Ermittler etwa, ob der Militärpsychiater auf einer einschlägig bekannten Internetseite Verständnis für Selbstmordattentäter zeigte. Außer Zweifel steht, wie der Major über Afghanistan und Irak dachte. "Er hatte gehofft, Obama werde die Truppen abziehen", berichtet der pensionierte Oberst Terry Lee über seinen früheren Kameraden. Klar scheint auch zu sein, dass er unter keinen Umständen in die Kriegsgebiete gehen wollte. Die grausigen Erlebnisberichte der Rückkehrer, die Hasan wegen posttraumatischer Störungen behandelte, bestärkten ihn nur. Hinzu kommen persönliche Enttäuschungen. Vergeblich versucht der schüchterne Doktor, eine Frau zu finden. Nach und nach entsteht das komplexe Bild eines Einzelgängers, der auf einer tristen Militärbasis in Texas in seiner eigenen Welt lebt. Ohne Freunde und Familie. Was ihn am Ende zu dem Amoklauf bewegte, versteht dennoch niemand. Schon gar nicht die Mitglieder seiner früheren Gemeinde in Washington, wo er jeden Tag betete. "Eine sehr ruhige, private Person", beschreibt ihn der Leiter des "Muslim Community Centers", Arshad Quershi. Meinung

Kriege haben ihren Preis

Von SZ-Korrespondent Thomas Spang Der Amoklauf in Fort Hood ist brisant, weil er eine politische und eine religiöse Dimension hat. Die Bluttat hebt grausig den Stress hervor, unter dem die US-Streitkräfte stehen. Soldaten, die permanent rotieren. Zwischen den Schlachtfeldern in Irak und Afghanistan und den trostlosen Militärbasen daheim. Entfremdet von ihren Familien. Nicht selten gezeichnet von oft unsichtbaren Wunden des Krieges. Fast jeder dritte Rückkehrer leidet unter posttraumatischen Störungen. Major Hasan erlebte selber keine Kriegsgräuel. Doch er hörte jeden Tag davon. Einiges spricht dafür, dass er damit am Ende selber nicht mehr fertig wurde. Ein Helfer, der Hilfe brauchte und sie nicht erhielt. Dass der Täter ein gläubiger Muslim ist, der aus seiner Abneigung gegen die US-Politik in Afghanistan und Irak kein Geheimnis machte, verkompliziert die Situation. Erwartungsgemäß dauerte es nicht lange, bis die ersten Stimmen terroristische Motive mutmaßten. Die Bluttat von Fort Hood erschwert Präsident Obamas Entscheidung, weitere 40 000 Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Sie fügt den strategischen Erwägungen eine atmosphärische Komponente hinzu, die nur allzu sichtbar macht, dass die fernen Kriege auch einen Preis daheim haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
In Berlin sind am Donnerstagabend die MTV Europe Music Awards verliehen worden. Fans in ganz Europa haben per Internet über die Preisträger abgestimmt. Die Sieger: beste Künstlerin: Beyoncé (Foto: dpa), bester Künstler: Eminem, beste Band: Tokio Hote
In Berlin sind am Donnerstagabend die MTV Europe Music Awards verliehen worden. Fans in ganz Europa haben per Internet über die Preisträger abgestimmt. Die Sieger: beste Künstlerin: Beyoncé (Foto: dpa), bester Künstler: Eminem, beste Band: Tokio Hote