Ein Meer von Trümmern

Lorca. "Lorca sieht aus wie Beirut", sagt Bürgermeister Francisco Jodar, "mit den ganzen Trümmern auf dem Boden und großen Rissen in den Wänden." Mit blassem Gesicht und schwarzen Augenrändern dirigiert Jodar die Rettungsarbeiten. Er fühle sich am Tag nach dem schweren Erdbeben wie in einem Albtraum. Schutt und Gesteinsbrocken auf allen Straßen

 Eine Polizistin versucht die Tochter eines durch das Erdbeben getöteten Mannes zu trösten. Foto: dpa

Eine Polizistin versucht die Tochter eines durch das Erdbeben getöteten Mannes zu trösten. Foto: dpa

Lorca. "Lorca sieht aus wie Beirut", sagt Bürgermeister Francisco Jodar, "mit den ganzen Trümmern auf dem Boden und großen Rissen in den Wänden." Mit blassem Gesicht und schwarzen Augenrändern dirigiert Jodar die Rettungsarbeiten. Er fühle sich am Tag nach dem schweren Erdbeben wie in einem Albtraum. Schutt und Gesteinsbrocken auf allen Straßen. Dazwischen weinende Menschen, die sich in Decken hüllen. Es war das schlimmste Erdbeben seit über 50 Jahren in Spanien.Die Bilanz der Katastrophe, die am Mittwochabend aus der stolzen Stadt Lorca ein Meer der Ruinen machte: Zehntausende Häuser, rund 80 Prozent aller Gebäude, sind beschädigt. Tausende Menschen obdachlos. Neun Tote, ein Vermisster, rund 300 Verletzte. Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Jose Luis Zapatero zeigte sich erschüttert, versprach den Menschen schnelle Hilfe.

Zwei Erdstöße erschütterten die südspanische Stadt (Region Murcia), in der etwa 90 000 Menschen leben: Zuerst bebte es um 17.05 Uhr leicht, aber schwer genug, dass viele Menschen panisch aus den Häusern liefen. Dies rettete vermutlich vielen Bürgern das Leben. Dann beim zweiten Erdbeben um 18.47 Uhr mit der Stärke 5,2 auf der Richterskala schien die Welt unterzugehen.

Wände wackelten, Decken stürzten ein, Böden rissen auf, es regnete Trümmer: Ein Junge, der gerade einen Hund ausführte, wurde von einem herabstürzenden Balkon erschlagen. Andere starben in ihren kollabierenden Häusern. Ein abbrechender Kirchturm schlug nur wenige Meter neben einem TV-Kamerateam ein.

"Ich wusste ja, dass wir in einem Erdbebengebiet leben", sagte Jose Maria Rodriguez, "aber ich habe nicht geglaubt, dass dies wirklich einmal passieren könnte." Armdicke Spalten klaffen in den Mauern seines Wohnhauses in der Innenstadt. Teile der Fassade krachten auf die Straße und begruben parkende Autos. Seine vier Wände sind unbewohnbar.

Der Familienvater hat wie zehntausende von Bewohnern die Nacht nach dem Erdbeben im Freien verbracht. Die Menschen schliefen auf Parkplätzen, in Grünanlagen, in ihren Autos oder irgendwo auf einem Karton auf der Straße. Viele Plätze und Schulhöfe glichen Flüchtlingslagern. Gestern begannen Militär und Rotes Kreuz Notlager aufzubauen. Auch Hotels stellten Betten zur Verfügung. Nach bisherigen Angaben sind keine Touristen unter den Opfern. Lorca liegt nicht am Meer, sondern etwa 40 Kilometer Luftlinie von den Mittelmeerstränden entfernt. Die Region, rund 150 Kilometer südlich von der nordeuropäischen Urlaubshochburg Alicante entfernt, wird hauptsächlich von Spaniern frequentiert.

Das Epizentrum des Erdbebens habe nur wenige Kilometer vom Ort entfernt gelegen und habe sich relativ nah unter der Erdoberfläche befunden, sagt ein Sprecher des spanischen Erdbebeninstituts. Deswegen sei der Schaden vergleichsweise groß. Südspanien liegt am Rande jener tektonischen Linie, an der die eurasische und die afrikanische Erdplatte zusammenstoßen und regelmäßig im Mittelmeerraum die Erde beben lassen.

 Eine Polizistin versucht die Tochter eines durch das Erdbeben getöteten Mannes zu trösten. Foto: dpa

Eine Polizistin versucht die Tochter eines durch das Erdbeben getöteten Mannes zu trösten. Foto: dpa

Luis Eugenio Suarez, Chef des Geologen-Berufsverbandes, äußerte den Verdacht, dass auch Baumängel zur Katastrophe in Lorca beitrugen: Bei einem Erdbeben der gemessenen Stärke sollten die Gebäude "eigentlich nicht einstürzen".

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