Ein Leben im Gefängnis

Aachen. Der Aachener Ausbrecherprozess war von einer Frage beherrscht, die weit über den konkreten Fall hinausweist: Waren die Zustände im Gefängnis für die spektakuläre Flucht mitverantwortlich? Michael Heckhoff (52) und Peter Paul Michalski (47) sind zwei gefährliche Männer

Aachen. Der Aachener Ausbrecherprozess war von einer Frage beherrscht, die weit über den konkreten Fall hinausweist: Waren die Zustände im Gefängnis für die spektakuläre Flucht mitverantwortlich? Michael Heckhoff (52) und Peter Paul Michalski (47) sind zwei gefährliche Männer. Um sich davon zu überzeugen, muss man nicht erst die psychologischen Gutachten lesen, man muss sich nur ansehen, was sie im Laufe der Jahre alles verbrochen haben. Heckhoff: Banküberfälle mit einer Beute von einmal einer Million Mark, Geiselnahmen, Schwerverletzte. Michalski: Überfälle, Mord.Das ist das eine. Das andere ist der Ort, an dem die beiden fast ihr ganzes Erwachsenenleben verbracht haben: das Hochsicherheitsgefängnis. Eine Parallelwelt jenseits der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist eine Welt mit eigenen Gesetzen: Diejenigen, die in der Hackordnung oben stehen, herrschen über die Schwachen, missbrauchen sie als Prostituierte, lassen sich mit Pornos, Handys, Lebensmitteln und Drogen versorgen. Die Führung der einzelnen Gefängnisse ist sehr unterschiedlich. Manche sind beliebt, andere gefürchtet.

Schon das normale Leben im Gefängnis kann schrecklich sein - die Isolationshaft ist es wohl in jedem Fall. Heckhoff saß insgesamt 15 Jahre in Isolationshaft, bei Michalski waren es zehn Jahre. Konkret heißt das: 23 Stunden am Tag auf acht Quadratmetern. Eine Stunde am Tag auf den Gefängnishof - kein Kontakt zu anderen Häftlingen. Heckhoff hat sich schon vor langem angewöhnt, Selbstgespräche zu führen. Insgesamt war er 33 Jahre in Haft.

Menschenrechtsorganisationen prangern solche Haftbedingungen als unmenschlich an. Die Leute, die den Justizvollzug managen, sind anderer Meinung: Für sie sind die Kritiker naive Weltverbesserer, die nichts über den Umgang mit Berufskriminellen wissen. Solche Leute sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nicht mehr zur Umkehr fähig. Michalski hatte das Ende seiner Haft schon vor Augen, doch bei einem Freigang brachte er einen Mann um, der einen Komplizen verpfiffen hatte.

Bei Heckhoff fragt man sich, was er wohl aus seinem Leben gemacht hätte, wenn er nicht schon sehr früh - als Jugendlicher nach einer Kindheit im Heim - auf die schiefe Bahn gekommen wäre. "Wenn der redet, dann hängt man an seinen Lippen", sagt eine Prozessbeobachterin.

Psychologen warnen jedoch, dass ihn gerade dies so gefährlich mache, denn gleichzeitig fehle ihm jede Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Er sei ein klassischer Psychopath: egozentrisch, gewissenlos und extrem manipulativ. Eine so gestörte Persönlichkeit sei kaum behandelbar und bleibe deshalb eine unberechenbare Gefahr.

Die Zustände in der JVA Aachen wurden in der Urteilsbegründung gestern bewusst ausgeklammert. "Das Gericht fühlt sich nicht dazu berufen, die Missstände in der JVA aufzuklären und zu bewerten", sagte Richter Görgen. "Sie spielen für die Schuld keine Rolle."

Auf einen Blick

Gestern hat das Landgericht Aachen Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski zu zehn und zehneinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sie waren im November 2009 aus der Aachener JVA geflohen und hatten mehrere Geiseln genommen. Der Justizvollzugsbeamte, der ihnen zur Flucht verholfen hatte, wurde zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt. dpa

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