Ein Käsekuchen - das macht zwei Stunden

Basel. Wie viel ist ein Käsekuchen wert? Für Ursula Lafos ist die Antwort klar: zwei Stunden. So lange hat es gedauert, den Kuchen zu backen, den sie auf der Feier einer älteren Dame vorbeibrachte. "Die Zeit, die ich gebraucht habe, ist mir dann auf meinem Konto gutgeschrieben worden", berichtet sie

Basel. Wie viel ist ein Käsekuchen wert? Für Ursula Lafos ist die Antwort klar: zwei Stunden. So lange hat es gedauert, den Kuchen zu backen, den sie auf der Feier einer älteren Dame vorbeibrachte. "Die Zeit, die ich gebraucht habe, ist mir dann auf meinem Konto gutgeschrieben worden", berichtet sie. Nun ist Lafos zwei Stunden im Plus und hofft, jemanden zu finden, der mit ihr "English Conversation" betreibt. Im Gegenwert von zwei Stunden.Was verwirrend klingt, hat bei Ursula Lafos und ihrem Kooperationspartner Timo Bindler System: Die Basler haben eine Internet-Tauschbörse aufgebaut, in der Menschen Dienstleistungen oder selbst gemachte Produkte anbieten und erwerben können - und zwar völlig ohne Geld. "Zeittauschbörse" nennt sich das System, in dem Menschen ausschließlich mit der Zeit handeln, die sie zum Beispiel aufgewendet haben, um einen Kuchen zu backen oder mit jemandem das Unterhalten auf Englisch zu üben.

In der Schweiz boomen solche Börsen zurzeit, immer mehr Tauschportale von gemeinnützigen Anbietern gehen online. Die Basler Börse als vorläufig jüngste ist seit Mai im Internet verfügbar. Die Idee dahinter ist nicht neu: Sie geht zurück auf die 70er und 80er Jahre und den Wunsch nach selbst organisierter Nachbarschaftshilfe. Noch heute gibt es in Deutschland und der Schweiz viele solcher kleinen Börsen - allerdings nicht wie nun online und mit eigener Kontoführungssoftware, sondern auf Rundbriefen oder Schwarzen Brettern.

Der Zeittausch 2.0 erhöht die Zahl der möglichen Nutzer und auch die Möglichkeiten. "Es ist etwa geplant, dass sich die Börsen miteinander vernetzen. Dass jemand, der aus St. Gallen kurzzeitig nach Basel kommt, dort eine Dienstleistung in Anspruch nehmen und mit seiner eigenen Börse abrechnen kann", sagt Lafos. Das klingt nach einer Bank, und im Prinzip ist eine Zeittauschbörse nichts anderes. Nichts ist dabei wichtiger als das Konto. Darauf wird den Mitgliedern Zeit gutgeschrieben, wenn sie eine Leistung erbringen - und das belasten sie, wenn sie jemand anderen beauftragen, etwas für sie zu tun. Sogar verleihen, verschenken oder vererben kann man seine Zeit.

Weil die Börsen-Betreiber Zeit wie Geld behandeln, wird der Tausch abstrakt: Die alte Dame muss sich nicht persönlich für den Käsekuchen erkenntlich zeigen, sondern kann den Dank etwa an einen Studenten weiterreichen, dem sie bei der Lektüre hilft. Dieser wiederum kann woanders den Rasen mähen. Vielleicht gehört in Zukunft sogar die Altersvorsorge dazu. "Man geht zu gebrechlichen Menschen und hilft ihnen im Alltag", erklärt Timo Bindler. "Die Zeit, die man mit den Alten verbracht hat, spart man an und bekommt sie selbst im Alter ausgezahlt." Auf diese Weise lege man sich "eine Stundenrente" an. "Die Zeit, die ich gebraucht habe,

ist mir auf

meinem Konto gutgeschrieben worden."

Ursula Lafos von der Basler Zeittauschbörse

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