Ein Drogenbaron als Opfergabe

Ciudad Juárez · Kurz vor dem Regierungswechsel in Washington überstellt Mexiko den früheren Drogenkartellchef „El Chapo“ den US-Behörden. Beobachter werten die Auslieferung als Zeichen des guten Willens.

 Die kriminelle Karriere „El Chapos“ ist in einem US-Gefängnis wohl endgültig vorbei. Foto: dpa

Die kriminelle Karriere „El Chapos“ ist in einem US-Gefängnis wohl endgültig vorbei. Foto: dpa

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Der neue US-Präsident Donald Trump hat Mexikaner als Drogenhändler beschimpft - jetzt serviert ihm das geschmähte Nachbarland zum Amtsantritt den wohl größten seiner Zunft auf dem Silbertablett. Joaquín Guzmán Loera - genannt "El Chapo", der Kurze - war einst der mächtigste Drogenboss der Welt. Sein Sinaloa-Kartell überschwemmte die USA mit Drogen und sorgte in Mexiko für Angst und Schrecken.

"Die Auslieferung von Joaquín Guzmán Loera seitens der mexikanischen Regierung an die USA ist ein Beweis für den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen beiden Nationen", schrieb der Chef der mexikanischen Regierungspartei PRI, Enrique Ochoa Reza, am Donnerstag auf Twitter . Auch der Analyst Leo Zuckermann wertet die Überstellung des Kartellbosses an die US-Behörden als Zeichen des guten Willens.

Der Kolumnist Salvador García kritisierte die Auslieferung in der Zeitung "El Universal" als Geste der Unterwerfung. Die Überstellung von "El Chapo" sei eine Opfergabe, mit der Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto versuche, Trump gnädig zu stimmen, schrieb García. Das habe aber schon damals bei Montezuma und den Spaniern nicht funktioniert. Die mexikanischen Behörden wiesen diese Interpretation freilich zurück. "Es gibt keine besondere Motivation für diese Entscheidung", sagte Alberto Elías Beltrán von der Generalstaatsanwaltschaft.

Ob politisch motiviert oder nicht - mit der Auslieferung des Drogenbosses geht eine Ära zu Ende. Jahrzehntelang dominierte er die lateinamerikanische Unterwelt. Guzmán schmuggelte tonnenweise Kokain und Heroin in die USA und verdiente Millionen. Er soll persönlich für bis zu 3000 Morde verantwortlich sein. Damit ist jetzt Schluss.

Innerhalb des Sinaloa-Kartells könnten nun Verteilungskämpfe ausbrechen. "Ich glaube nicht, dass sein Imperium vor dem Aus steht", sagte die Journalistin und Sicherheitsexpertin Anabel Hernández kürzlich. "Es geht nur von der einen Hand in die andere über." Um die Nachfolge von "El Chapo" dürften seine Söhne Alfredo und Iván Archivaldo sowie sein Bruder Aureliano streiten. Und dann ist da ja noch Ismael Zambada García alias "El Mayo" - Guzmáns langjähriger Kompagnon. Nach Einschätzung von Sicherheitsexpertin Hernández findet ohnehin gerade ein Generationswechsel in Mexikos Unterwelt statt. "Für die Kartelle arbeiten jetzt Leute mit akademischer Ausbildung. Sie sind unauffällig und bewegen sich im Schatten der Straflosigkeit und Korruption", sagt sie. "Das Verbrechen hat die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden."

Im politischen Mexiko geht nun die Angst um. Beobachter sind sich einig, dass willfährige Politiker und korrupte Beamte Guzmán lange Zeit zu Diensten waren. Es gibt Gerüchte, dass die Regierung dem Sinaloa-Kartell bei seinen kriminellen Geschäften weitgehend freie Hand ließ, damit es als dominante Kraft für Ruhe in der Unterwelt sorgt. Wenn "El Chapo" jetzt auspackt, dürfte das so manchen in der Machtelite seinen Posten kosten.

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