Drama um krebskranken Jungen

London/Madrid · Dürfen Eltern über die Therapie für ihr Kind selbst entscheiden – oder ist das Sache der Ärzte? Der Fall des krebskranken Ashya aus dem Süden Englands ist zu einem Kampf der Eltern gegen die Staatsgewalt geworden.

Ende der dramatischen Suche nach Ashya King: Die europaweite Fahndung nach dem fünfjährigen Jungen und seinen britischen Eltern hatte in der Nacht zum Sonntag Erfolg. Spanische Polizisten fanden das vermisste Kind, das an einem Gehirntumor leidet, nahe der südspanischen Stadt Malaga. Es war zusammen mit seinen Eltern in einem Kleinbus unterwegs. Der Junge wurde umgehend in ein örtliches Hospital gebracht, von wo die erleichternde Nachricht kam: Der Zustand ist stabil. Die Eltern hatten ihren Sohn am Donnerstag ohne Erlaubnis der britischen Ärzte aus einem Krankenhaus im südenglischen Southampton geholt und waren mit unbekanntem Ziel verschwunden. Sie wollten ihm nach eigener Aussage im Ausland eine neuartige Krebstherapie mit Protonenbestrahlung verschaffen, die in England noch nicht verfügbar ist. Die revolutionäre Protonentherapie gilt gegenüber der bisherigen aggressiven konventionellen Bestrahlung, welche bei Ashya in England eingesetzt werden sollte, als sehr viel gewebeschonender. Sie befindet sich aber noch - etwa in den USA oder in Deutschland - im Erprobungsstadium.

Der Vater (51) und die Mutter (45) des Jungen wurden in Spanien festgenommen. Ob sie sich vor Gericht verantworten müssen, blieb zunächst unklar. Die britische Polizei äußert sich nur vorsichtig zu dem spektakulären Fall, der die Öffentlichkeit Europas beschäftigt hatte, und ließ durchblicken, dass es sich eher um ein menschliches Drama, als um einen Kriminalfall handele. Es sei bei der Fahndung vor allem darum gegangen, dass der krebskranke Junge "die Fürsorge bekommt, die er benötigt", sagte Chris Shead, zuständiger Vize-Polizeichef in Südengland. Er wies zugleich auf die persönliche Grenzsituation der Eltern hin: "Das muss eine sehr schlimme Zeit für Ashyas Familie sein." Offizielle Schuldvorwürfe gegen die Eltern wurden in Großbritannien bisher nicht erhoben. Britische Rechtsexperten wiesen darauf hin, dass eine Anklage der Eltern unwahrscheinlich sei. In anderen Fällen der Vergangenheit habe es auch keine Strafverfolgung gegeben. Laut dem öffentlichen britischen TV-Sender BBC dürfen Eltern in Großbritannien durchaus ihre Kinder gegen ärztlichen Willen aus dem Krankenhaus holen.

In einem Internetvideo auf YouTube rechtfertigte Ashyas Vater die Entscheidung, den krebskranken Sohn aus dem Krankenhaus zu holen. Nach einem heftigem Streit mit den britischen Ärzten über die Behandlung hätten er und seine Frau keine andere Chance mehr gesehen. Er wies den Vorwurf zurück, das Leben Ashyas damit aufs Spiel gesetzt zu haben. Man habe genug Batterie- und Nährstoffnachschub für die mobile Nahrungspumpe, von welcher der Kleine abhängig sei, im Gepäck. In dem Video kündigte der Familienvater zudem an, dass er mit seinem Sohn "nicht zurückkehren" werde, "solange ich ihm nicht die Behandlung zukommen lassen kann, die ich möchte".

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