Dioxin-Skandal: Debatte um Verbraucherschutz

Berlin. Immer neue Dioxin-Funde heizen die Debatte um den Verbraucherschutz in Deutschland an. Dabei gerät auch die Rolle der Bundesregierung ins Blickfeld. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hielt der Regierung schwere Versäumnisse und die einseitige Bedienung der Interessen der Futtermittelindustrie vor

Berlin. Immer neue Dioxin-Funde heizen die Debatte um den Verbraucherschutz in Deutschland an. Dabei gerät auch die Rolle der Bundesregierung ins Blickfeld. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hielt der Regierung schwere Versäumnisse und die einseitige Bedienung der Interessen der Futtermittelindustrie vor. Die Regierung wolle den Export deutscher Fleischprodukte nicht gefährden und habe deshalb kein Interesse, die Futtermittelindustrie stärker zu belasten, sagte Foodwach-Chef Thilo Bode. Er beklagte, dass es viel zu wenig staatliche Kontrollen gebe. Bode verlangt, dass jeder Hersteller jede Charge einer Futtermittelzutat verpflichtend auf Dioxin testet, dokumentiert und bei Überschreitungen verpflichtend die Behörden informiert. "Nur das würde weiterhelfen, damit die schleichende Dioxinvergiftung durch Futtermittel aufhört."

Der Fall weitet sich derweil an verschiedenen Fronten aus: Behörden stellten in Legehennen aus Nordrhein-Westfalen überhöhte Konzentrationen des Gifts fest. Der Tests bei Hähnchen, Puten oder Schweinen zeigten bislang keine Überschreitungen. 3000 gesperrte Betriebe wurden wieder freigegeben. Eine Futterfett-Probe des Herstellers Harles und Jentzsch in Uetersen (Schleswig-Holstein) überschritt den Grenzwert bei jüngsten Analysen fast um das 73-fache.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU, Foto: dpa) sieht noch kein Ende der Dioxin-Gefahr in Lebensmitteln. "Der Fall ist von den zuständigen Landesbehörden noch nicht vollständig aufgeklärt. Vorrangig muss dafür gesorgt werden, dass belastetes Futtermittel zurückverfolgt wird und belastete Produkte nicht in den Handel gelangen", sagte sie der "Bild am Sonntag". Die Verursacher müssten für die entstandenen Schäden aufkommen.

International zeigt der deutsche Skandal Wirkung: Südkorea blockiert bereits seit Mitte vergangener Woche Schweinefleisch aus Deutschland. Britische Supermärkte haben Produkte, die von deutschen Dioxin-Eiern verseucht sein könnten, aus dem Regal genommen. Die Slowakei hat die Einfuhr von Eiern und Geflügel gestoppt. Der Vorsitzende der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, Prof. Thomas Blaha, erklärte derweil, dioxinbelastete Produkte müssten nicht unbedingt vernichtet werden. Er rät, belastete Eier mit unbelasteten zu mischen - dann wäre das Gift so verdünnt wie im Essen üblich. dpa

Meinung

Wer kommt für Schäden auf?

Von SZ-Korrespondent

Werner Kolhoff

Aus dem Vorgehen der Futterfettpanscher muss die Regierung Konsequenzen ziehen. Dazu gehören die nochmalige Erhöhung der Kontrollintensität und die systematische Trennung der Produktions- und Lieferwege von industriellem Fett und Fett für Tierfutter. Allmählich aber muss der Gesetzgeber auch darüber nachdenken, wie die Folgen der sich häufenden Skandale für unbeteiligte Dritte gemildert werden können. Fast 5000 Höfe wurden geschlossen; viele werden Eier, Fleisch und Milch auch nach dem Skandal nur schlecht absetzen können. Es kann nicht angehen, dass die Steuerzahler jedes Mal dafür aufkommen sollen. Die Nahrungsmittelindustrie muss selbst für die Schäden bezahlen, die ihre schwarzen Schafe immer wieder produzieren. Sie sollte verpflichtet werden, ausreichend große Entschädigungsfonds einzurichten - aus ihren Gewinnen. Nur so lässt sich die Selbstkontrolle und das Verantwortungsgefühl der Branche insgesamt stärken.

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