Die Welt in einer Kiste

München. So einfach ging Fernsehen vor 60 Jahren: Ein Kasperltheater, davor eine Kamera - fertig war die Bildschirmpremiere der Augsburger Puppenkiste mit einem Marionettenspiel von "Peter und der Wolf". Millionen Kinder wurden in den folgenden Jahrzehnten Fans der Abenteuer von Jim Knopf, Urmel und Co

 Leicht abgeschabt, aber immer noch populär: Mit Jim Knopf schaffte die Augsburger Puppenkiste den Durchbruch. Foto: Roessler/dpa

Leicht abgeschabt, aber immer noch populär: Mit Jim Knopf schaffte die Augsburger Puppenkiste den Durchbruch. Foto: Roessler/dpa

München. So einfach ging Fernsehen vor 60 Jahren: Ein Kasperltheater, davor eine Kamera - fertig war die Bildschirmpremiere der Augsburger Puppenkiste mit einem Marionettenspiel von "Peter und der Wolf". Millionen Kinder wurden in den folgenden Jahrzehnten Fans der Abenteuer von Jim Knopf, Urmel und Co. Doch seit einigen Jahren ist die Puppenkiste von den Fernsehschirmen weitgehend verschwunden. Aufwändig produzierte Animationsfilme und 3D-Streifen haben die liebevoll per Hand hergestellten Puppen in der Gunst der Kinder verdrängt.

Es waren glückliche Umstände, die die Augsburger Puppenkiste am 21. Januar 1953 zum ersten Mal ins Fernsehen brachten. In den Anfängen der Bühne trat Gründer Walther Oehmichen nach Ende des Zweiten Weltkriegs in seiner Heimatstadt auf - und hatte als Zuschauer auch Hanns Fahrenburg. Der war Sendeleiter des ARD-Vorgängersenders NWDR und dringend auf der Suche nach Programm für das Ende 1952 gestartete deutsche Fernsehen. Fahrenburg war fasziniert von dem Marionettenspiel und nahm Oehmichens Bühne gleich unter Vertrag.

Im Internet finden sich heute noch Ausschnitte der live übertragenen Fernsehpremiere der Augsburger Puppenkiste mit "Peter und der Wolf": Natürlich in Schwarz-Weiß, mit viel Musik, einem Erzähler und ganz ohne Schnittbilder. Doch so primitiv sollte es nicht lange bleiben. Bald übernahm der Hessische Rundfunk die Produktion.

Eine der ersten großen Produktionen war die "Muminfamilie". Für das kleine Theater bedeuteten die Dreharbeiten wie bei allen folgenden Produktionen eine Konzentration ausschließlich aufs Fernsehen: Für etwa zwei Monate schloss die Puppenkiste. Der HR schickte dann ein Team samt Schreiner und Maler nach Augsburg. Pro Tag mussten drei bis vier Drehminuten geschafft werden. Für die Puppenspieler ein schweißtreibendes Geschäft - die Scheinwerfer sorgten auf ihren Spielbrücken für Temperaturen von teils über 60 Grad. Unter diesen Bedingungen entstanden Klassiker, die den heute über 30-Jährigen noch ein Begriff sind: "Der Räuber Hotzenplotz" oder "Urmel aus dem Eis". Über all diesen steht aber "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer". Anfang der 60er Jahre wurde das Buch von Michael Ende das erste Mal auf die Puppenbühne gebracht.

Nach den Worten von Anke Scholz, der Vorsitzendem des Verbands deutscher Puppentheater, blieb der Erfolg der Augsburger Puppenkiste jedoch eine Ausnahme. Zwar habe es immer wieder auch Aufnahmen mit anderen Marionettenbühnen gegeben. "Die Präsenz wie die Augsburger hat in der Form aber niemand erreicht, es war dann einfach der Zeitgeist, es passte einfach."

Bis in die 90er Jahre waren die Wiederholungen der Puppenkisten-Geschichten nicht aus den Programmen der ARD und später auch dem Kinderkanal wegzudenken. Doch dann war Schluss. Die Sender wiederholen die Serie nicht mehr, weil sie heute bei rund 400 Stunden Kinderfernsehen pro Woche einfach nicht mehr ankommt. Das Puppenspiel ist schlicht zu langsam. afp

Hintergrund

 Leicht abgeschabt, aber immer noch populär: Mit Jim Knopf schaffte die Augsburger Puppenkiste den Durchbruch. Foto: Roessler/dpa

Leicht abgeschabt, aber immer noch populär: Mit Jim Knopf schaffte die Augsburger Puppenkiste den Durchbruch. Foto: Roessler/dpa

Die Marionetten der Augsburger Puppenkiste sind seit 1953 auf der Mattscheibe zu sehen. Zu den erfolgreichsten Klassikern gehören "Peter und der Wolf" (1953), "Die Muminfamilie" (1959), "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" (1961), "Jim Knopf und die Wilde 13" (1962), "Kater Mikesch" 1964), "Urmel aus dem Eis" (1969), "Kleiner König Kalle Wirsch" (1970), "Katze mit Hut" (1982) und "Schlupp vom grünen Stern" (1986). dpa

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