Die Sache mit den Ohren

Washington · Ein New Yorker aus der Bronx sieht aus wie Barack Obama. Als Double hat er dessen Karriere direkt miterlebt, die Euphorie, die Ernüchterung, schließlich die billigen Witzchen

 Begehrtes Motiv – Louis Ortiz als Barack Obama. Foto: herrmann

Begehrtes Motiv – Louis Ortiz als Barack Obama. Foto: herrmann

Foto: herrmann

Wenn Louis Ortiz einen Saal betritt, schauen ihn die Leute an, als könne nicht wahr sein, was sie da gerade sehen. So wie jetzt, in einem Kino in Silver Spring nahe Washington. "Mein Gott, unheimlich", ruft eine Frau, während andere ihre Handykameras zücken und wieder andere einfach nur dasitzen und staunen. Verrückt, diese Ähnlichkeit. Ortiz kennt das. Er lächelt, hebt das Kinn ein wenig an und winkt, wie Politiker eben winken - routiniert. Louis Ortiz ist das Double von Barack Obama . Er ist so schlank und fast so groß wie das Original. Seine Haut hat die gleiche Farbe wie die Obamas. Die grauen Sprenkel im schwarzen Haar, auch das stimmt. Das Entscheidende aber, sagt der 43-Jährige, seien die abstehenden Ohren.

Es ist das Jahr 2008. Amerika hofft, sich neu zu erfinden, und Obama tritt zum Siegeszug an. In der Bronx hat Louis Ortiz einen vermeintlich sicheren Job verloren, nach 13 Jahren von heute auf morgen gefeuert. Seine Frau ist mit 29 an einer schweren Krankheit gestorben, er muss Reina, die fünfjährige Tochter, allein über die Runden bringen. In einer Kneipe spielt er Billard, um ein paar Dollar Preisgeld zu verdienen. Dort ruft der Wirt eines Tages: "Hey, Kumpel, du hast es auf die Titelseite geschafft!" Der Wirt rät ihm, sich den Schnurrbart abzurasieren. Das tut Ortiz. Als er zurückkehrt, sind die Billardkameraden begeistert. Mit diesem Gesicht könne er Geld machen, sagen sie. Irgendwann beherzigt er den Rat, zumal es ihm an Alternativen fehlt. Reina schickt er schweren Herzens zu den Großeltern, damit sie nicht allein zuhaus in der Bronx sitzt, während er von Club zu Club tingelt.

Szene für Szene hat Dokumentarfilmer Ryan Murdock das alles aufgezeichnet. Und der Protagonist selber reist von Kinofestival zu Kinofestival, um den Streifen ("Bronx Obama") zu promoten. Er spielt seine Rolle perfekt. Nicht nur Obamas Gesten hat er sich angeeignet, er hat auch gelernt, genauso zu sprechen wie der Präsident, ohne den Dialekt der Bronx und mit exakt der gleichen Satzmelodie. "Du kannst werden, was immer du willst. Willst du Astronaut werden, dann kannst du es schaffen." "Willst du ein Idiot werden", fügt er grinsend hinzu, "wird dir auch das gelingen."

Die Ära Obama ist für Louis Ortiz aber auch eine Geschichte der Ernüchterung. Die Entzauberung des Hoffnungsträgers, von der umjubelten Lichtgestalt zum Prügelknaben für alles, was schiefläuft, er hat sie sehr direkt miterlebt. Vor der Wahl 2012 heuert Ortiz bei Dustin Gold an, einem Künstleragenten, der Imitatoren berühmter Politiker verpflichtet. Mit einem übertrieben steifen Mitt Romney , einem etwas zu stämmig geratenen Bill Clinton und einem Donald Trump mit wasserstoffblonder Tolle geht er auf Tournee. Meist sind es Kongresse von Geschäftsleuten, bei denen sie auftreten. Heimspiele der Republikaner. Das Publikum soll auf seine Kosten kommen, es soll Obama auslachen können. Also muss Ortiz billige Witzchen machen: "Mitt Romney will mir das Weiße Haus wegnehmen. Aber es ist extrem schwer, einen schwarzen Mann wieder herauszukriegen aus einer subventionierten Wohnung."

Doch er hat auch seinen Spaß. So wie im Juni in einem Regierungsgebäude neben dem Weißen Haus. Dort öffnete er die Türen verschiedener Besprechungszimmern, was den Effekt hatte, dass sich die Versammelten sofort von ihren Plätzen erhoben. "Weitermachen, ich will nicht stören", rief Ortiz. Jedenfalls erzählt er es so. Wie es ihm gelang, die Wachen am Eingang zu überlisten - das behält er für sich.

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