Die Invasion der Quallen

Rom · Es ist ein schauriges Unterwasser-Spektakel, das ein Taucher vor den Äolischen Inseln gefilmt hat. Tausende Quallen treiben vor ihm durchs Meer. Das Video macht Badegästen Angst – und die Hoteliers Siziliens sind sauer.

Die Bilder sind schön und unheimlich zugleich. Man sieht das Blau des Meeres, dann unzählige Tentakel. Da ist ein betörendes Rot, das immer dichter und bedrohlicher wird. Tausende Quallen versperren dem Taucher schließlich die Sicht. Es ist kein Durchkommen mehr vor der kleinen Insel Filicudi vor Sizilien. "Die Invasion der Quallen" - so haben italienische Medien das Unterwasser-Spektakel bezeichnet, das sich derzeit vor den Äolischen Inseln abspielt. Diese sind eigentlich für ihre Ursprünglichkeit und Abgeschiedenheit bekannt. Aus diesem Grund hat sich vor zwei Wochen auch der Sporttaucher Dario Lopes in die Gewässer vor Filicudi begeben, um mit seiner Harpune auf Jagd zu gehen. Aber anstatt einer Fisch-Beute fand Lopes eine Wand von Quallen. Die Bilder hat er auf Youtube ins Internet gestellt.

"Als ich diese Bilder gesehen habe, bin ich beinahe vom Stuhl gefallen", berichtet Ferdinando Boero, 63, Zoologe von der Uni Salento in Lecce. "So eine Quallen-Suppe habe ich noch nie gesehen." Es ist bekannt, dass Quallen sich wegen Überfischung und Klimaveränderung weltweit in den vergangenen Jahren extrem vermehrt haben. Aber eine Ansammlung von Exemplaren wie jetzt vor Sizilien konnten Wissenschaftler offenbar selten zuvor beobachten. "Pelagia noctiluca" also Leuchtqualle heißt die vor Filicudi gesichtete rötliche Quallen-Art, an deren Nesseln sich Schwimmer verbrennen können. Ob das gesamte Mittelmeer und insbesondere Thyrrenisches, Adriatisches und Ionisches Meer diesen Sommer von diesen unangenehmen Gästen bevölkert werden, mag Boero nicht vorherzusehen. "Es ist wie mit dem Wetter. Vorhersagen, die weit nach vorne reichen, sind unseriös."

Doch der erste Schaden ist schon angerichtet. Das Hotelgewerbe auf den Äolischen Inseln steht Kopf, seitdem auch Fernsehsender in Italien die beinahe mystischen Bilder von Sporttaucher Lopes verbreitet haben. Der Vorsitzende des lokalen Hotelierverbands, Christian Del Bono , bezeichnet die Aufregung als "alarmistisch" und "lächerlich". "Das Meer hier ist fantastisch und es gibt keinen Grund zu glauben, dass es bei uns dieses Jahr mehr Quallen geben wird als in den vergangenen Jahren." Das hätten auch Experten versichert.

Wohin die Quallen und ihre Brut schließlich getrieben würden, hinge von den Strömungen ab. "Entweder bleiben sie vor Sizilien, sie könnten aber auch über den Golf von Salerno, Elba bis hoch ins ligurische Meer gelangen", sagt Boero. Fest steht für den Zoologen nur, dass die Menschheit reagieren muss. Die Überfischung der Meere müsse für den Erhalt des Ökosystems eingedämmt, der Klimawandel gestoppt werden. "Ich kann nicht ausschließen, dass wir es eines Tages mit einer Quallen-Plage zu tun bekommen könnten."

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