Trauer um Wibke Bruhns Eine Pionierin vor der Kamera

Berlin · Wibke Bruhns war die erste Frau, die im ZDF die Hauptnachrichten präsentierte. Nun ist die Journalistin mit 80 Jahren gestorben.

 Damals im ZDF: Wibke Bruhns saß als erste Frau auf dem Nachrichtensprecher-Sessel vor der Kamera.

Damals im ZDF: Wibke Bruhns saß als erste Frau auf dem Nachrichtensprecher-Sessel vor der Kamera.

Foto: dpa/Renate Schäfer

Damals war so etwas noch eine Sensation: Am 12. Mai 1971 trat Wibke Bruhns in der „heute“-Spätausgabe vor die Kamera. Erstmals präsentierte eine Frau die Nachrichten in dem von Männern dominierten bundesdeutschen Fernsehen. Zwei Jahre blieb die Journalistin beim ZDF und beendete damit ein „schwachsinniges“ Männermonopol, wie sie es später nannte. Wibke Bruhns, die deutsche Fernsehgeschichte schrieb, ist am Donnerstag im Alter von 80 Jahren gestorben, wie das ZDF am Freitag in Mainz mitteilte.

„Hundsmiserabel“ sei der Job als TV-Sprecherin bezahlt gewesen, erinnerte sie sich später. Auch habe es ihr nicht gelegen, Texte anderer Leute vorzulesen. Auf die gesicherte Zukunft bei einem öffentlich-rechtlichen Sender pfiff sie: „Ich wollte größere Schritte machen.“

Auflehnung gegen Autoritäten gehörte für die 1938 in Halberstadt geborene Bruhns zu den prägenden Lebenserfahrungen – und zur Familiengeschichte. Ihr Vater, der Kaufmann Hans Georg Klamroth aus Halberstadt, war nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 als Mitglied des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten hingerichtet worden.

Bruhns‘ Mutter Else musste fünf Kinder großziehen. 1949 trat sie in den diplomatischen Dienst ein, Bruhns wuchs in Internaten auf, lebte in Stockholm, Berlin und London. Die Familiengeschichte sei lange eine „offene Rechnung“ gewesen, sagte sie einmal. 2004 veröffentlichte sie ihre Geschichte im Buch „Meines Vaters Land“, das zum Bestseller wurde.

Immer wieder eckte sie an. „Wibke Bruhns war eine Frau mit Haltung und dem Mut einer Pionierin“, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Ihr Volontariat bei der „Bild“-Zeitung brach sie nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 aus politischen Gründen ab. Sie wechselte zunächst zum Norddeutschen Rundfunk (NDR) nach Hamburg, dann zum ZDF und schrieb für „Die Zeit“. Die Mitarbeit an der Sozialdemokratischen Wählerinitiative zur Bundestagswahl 1972 verärgerte die CDU, die ihre Verbannung vom Bildschirm forderte.

Sie habe Willy Brandt aus „purem Egoismus“ gewählt, berichtete Bruhns. Er sei der einzige Politiker gewesen, mit dessen Biografie sie einverstanden gewesen sei. Den früheren Hitler-Gegner und Exilpolitiker habe sie aber auch als „lästig“ empfunden, weil man so gar nichts von ihm habe erfahren können. In der Zeit sei es gang und gäbe gewesen, sich nicht nur über Politisches auszutauschen. „Bei Willy Brandt lief ich gegen die Wand.“

Mit einem hartnäckigen Gerücht räumte sie in ihrem Buch „Nachrichtenzeit“ auf: Mit Brandt sei nie was gewesen.

Nach 380 Nachrichtensendungen ging Bruhns 1973 zum WDR. Dort produzierte sie Beiträge für das politische Magazin „Panorama“, deckte soziale Missstände auf oder dokumentierte den „schönen Schein der Ware“. Die „Bunte“ kürte sie zur „Jeanne d‘Arc der 68er“. Für den „Stern“ ging Bruhns 1979 als Nahost-Korrespondentin nach Israel, schrieb das viel gelobte Buch „Mein Jerusalem“. Von 1984 bis 1988 berichtete sie für das Hamburger Magazin aus Washington. Eine „Geo“-Reportage über das Vietnam-Denkmal in der US-Hauptstadt brachte ihr den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis ein.

Nach einem Ausflug zum Privatsender Vox, wo sie wieder Nachrichten präsentierte, wurde Bruhns 1995 Leiterin der Kulturredaktion beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Im Februar 2000 wurde sie Sprecherin der Expo 2000 in Hannover und nach der Weltausstellung wieder freie Autorin. Eine Rückkehr zum Fernsehen lehnte sie ab: „Da sitzen zu viele Tattergreise“, sagte die Journalistin damals.

 Wibke Bruhns im Jahr 2013.  Foto: Karlheinz Schindler/dpa

Wibke Bruhns im Jahr 2013. Foto: Karlheinz Schindler/dpa

Foto: dpa/Karlheinz Schindler

Sie habe es immer „sehr genossen“, sich zum Schreiben zurückzuziehen. „Je älter ich werde, desto lieber habe ich das“, sagte sie vor einigen Jahren. „Man soll es nicht glauben, aber ich bin maulfaul.“

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