Die Familie als Sehnsuchtsort

Berlin · Wann ist der beste Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen? Das fragen sich immer mehr junge Paare und warten. Viele denken laut einer Studie, dass es in 20 Jahren normal sein wird, wenn 50-Jährige Kinder bekommen.

Die Familie ist und bleibt ein Sehnsuchtsort für junge Menschen. Allerdings ist sich die Generation der 18- bis 30-Jährigen bewusst, dass das Idealbild des Zusammenlebens häufig an der Wirklichkeit scheitert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forsa-Untersuchung im Auftrag der Zeitschrift "Eltern", die gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Mama, Papa, zwei Kinder - die klassische Kernfamilie entspricht auch dem Lebensentwurf von mehr als zwei Dritteln der jungen Leute. Dabei steht "Familie" vor allem für Liebe, Geborgenheit und Vertrauen. 19 Prozent der Befragten favorisieren für sich sogar eine Großfamilie mit mehreren Generationen unter einem Dach. Die Einschätzung der 18- bis 30-Jährigen, welche Familienform an Bedeutung gewinnt, geht aber in eine andere Richtung. Nur jeder Fünfte sieht die klassische Kernfamilie im Kommen. 83 Prozent nennen dagegen die Patchworkfamilie, in der auch Kinder aus früheren Beziehungen leben. Und 69 Prozent gehen von einer wachsenden Bedeutung der Alleinerzieher-Familie aus.

Wunsch und Realitätssinn sind eben doch zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe. Das macht sich auch bei der Familienplanung bemerkbar. Rund 87 Prozent der noch kinderlosen Frauen und Männer wünschen sich Nachwuchs. Nur irgendwie scheint es nie so richtig zu passen. Denn es gibt noch Wichtigeres: der Traumpartner zum Beispiel - oder die Ausgewogenheit zwischen beruflicher Belastung und persönlicher Freizeit. Die Realisierung des Kinderwunsches schiebt sich so immer weiter nach hinten. Von den 18- bis 22-Jährigen hätten 37 Prozent ihr erstes Kind gern bis zum 27. Lebensjahr. Tatsächlich gelingt das aber nur 20 Prozent. Die große Mehrzahl der 27- bis 30-Jährigen (73 Prozent) ist daher auch zufrieden, wenn sich der Nachwuchs bis 35 einstellt. "Was früher als Risikoschwangerschaft galt, ist heute normal", heißt es bei Experten. Da passt es dann auch ins Bild, wenn 37 Prozent der Befragten glauben, dass in 20 Jahren werdende Mütter mit 50 zur Normalität gehören werden.

Ähnliches gilt für alternative Wege, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. 64 Prozent sind offen gegenüber dem so genannten Social Freezing, also dem Einfrieren einer Eizelle mit dem Ziel, sie später einmal befruchten und einsetzen zu lassen. Und für mehr als zwei Drittel der Jüngeren kommt sogar eine Adoption in Betracht. Bisher spielt das jedoch noch keine große Rolle. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2014 in Deutschland lediglich 3805 Adoptionen.

Dass Wunsch und Realität weit auseinanderklaffen, hängt vielleicht damit zusammen, dass Kinder doch eher als Last denn Lust empfunden werden: 96 Prozent der Befragten glauben, ihr Leben werde sich mit Kindern stark verändern. Das ist normal. Aber nur ganze drei Prozent sagen, durch ein Kind hätten sie "ein glücklicheres und erfülltes Leben".

Meinung:

Anstrengendes Glück

Von SZ-RedakteurThomas Schäfer

Dass Kinder die größten Nervensägen sein können, die einem manchmal sämtliche Kraft aus dem Körper saugen, weiß jeder, der nachts schon mal stundenlang ein schreiendes Baby durch die Wohnung getragen hat. Kinder sind anstrengend, Kinder verändern - mindestens eine Zeit lang - alles, da gibt es nichts schönzureden. Aber das macht es doch auch aus: Nur das, was uns bis an die Grenzen fordert, macht uns wirklich glücklich. Kinder sind das größte Wunder der Welt. Es ist die traurigste Erkenntnis dieser neuen Studie, dass offensichtlich nur ganz wenige junge Menschen in Deutschland glauben, ein Kind werde ihr Leben glücklicher machen.

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