Die Bahn wird leiser

Köln · Seit Jahren klagen Anwohner von Bahnstrecken über den Lärm der vorbeifahrenden Züge. Bis 2020 will die Bahn Abhilfe schaffen – mit besseren Bremsen für Güterwagen. Kritikern dauert das jedoch zu lange.

Karl-Heinz Matthias, Schlosser bei der Deutschen Bahn, duckt sich in der Grube unter einen Güterwaggon. Mit geübter Hand spannt er eine gebogene Bremssohle ans Rad, lässt den Hammer dröhnen, verschließt die Anlage wieder. "Bei 100 Bremsklötzen am Tag weiß man, was man geleistet hat", sagt er über die alten Modelle aus Grauguss, um die zehn Kilo schwer. Die Bahn will sie ersetzen. Neue Bremssohlen aus einem Kunststoffgemisch sollen dafür sorgen, dass die Züge leiser werden.

Bis 2020 sollen 60 000 Wagen der Gütersparte DB Schenker Rail mit den sogenannten Flüsterbremsen umgerüstet werden, neu gekaufte Waggons haben sie schon. Güter-Vorstand Alexander Hedderich verkündete den Zwischenstand gestern im Kölner Werk: 11 700 leisere Wagen seien bereits unterwegs. "Wir kommen sogar einen Ticken besser voran, als wir es uns vorgenommen haben." Die "LL-Sohle", seit Mitte 2013 zugelassen, steht für "low noise, low friction" - wenig Lärm, wenig Reibung. Neben denen der Bahn sollen den Angaben nach auch rund 120 000 Güterwagen anderer Betreiber - auch aus dem Ausland - umgerüstet oder ersetzt werden.

Die Bahn will bis Ende des Jahres bei 14 000 leisen Waggons ankommen. Teils sind sie mit der LL-Sohle ausgestattet, teils mit dem Vorgängermodell. Beide sollen dafür sorgen, dass sich die Lauffläche des Rads weniger aufraut und so weniger Lärm beim Rollen entsteht. Die Bahn verspricht sich eine Senkung der Fahrgeräusche um zehn Dezibel - wahrgenommen werde das als halb so laut, wenn die Gleise regelmäßig gepflegt werden. Die neuen Bremsen seien zwar günstig in der Umrüstung, aber teuer in der Wartung. Das koste bis 2020 rund 230 Millionen Euro - dafür erhofft sich die Bahn Hilfe vom Staat.

Kritiker bemängeln vor allem den Zeitplan. "Wir haben vielleicht ein bisschen zu lange gezögert", gesteht auch Hedderich ein. "Der Lärmschutz muss schneller kommen", fordert etwa Gerd Kirchhoff, Vorsitzender der Organisation "BIN gegen Bahnlärm". "Die Bahn hat sich Zeit gelassen", sagt auch Frank Gross, Vorsitzender der Initiative "Pro Rheintal", die sich am besonders engen Mittelrheintal zwischen Koblenz und Bingen gegen Lärm wehrt. 400 bis 450 Bahnen, die Hälfte davon Güterzüge , rauschen hier am Tag an Touristenattraktionen wie der Loreley vorbei. Mit der Umrüstung der Bremsen sei nur ein kleiner Teil erreicht, sagt Gross. Zusätzlich müssten Gleisbett und Lokomotiven gedämmt werden. "Die Umsetzung erfolgt nur sehr zögerlich." Besserer Lärmschutz durch neue Bremsen in Kombination mit mehr Schallschutzmauern und Schienendämpfern - zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie des "Beirats Leiseres Mittelrheintal". Sie war am Dienstag vorgestellt worden.

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