Zeitumstellung Der Rhythmus, bei dem jeder mit muss

Brüssel · Heute endet für die EU-Bürger die Abstimmungsfrist über die Zeitumstellung. Vor- und Zurückstellen der Uhren könnte bald Geschichte sein.

 500 Millionen Europäer können noch bis Mitternacht abstimmen: Bei den Deutschen zeichnet sich eine Mehrheit für die ewige Sommerzeit ab. Hier werden die Zeiger der Kirchturmuhr der Dresdner Lukaskirche kontrolliert.

500 Millionen Europäer können noch bis Mitternacht abstimmen: Bei den Deutschen zeichnet sich eine Mehrheit für die ewige Sommerzeit ab. Hier werden die Zeiger der Kirchturmuhr der Dresdner Lukaskirche kontrolliert.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Sommerliche Gefühle das ganze Jahr? Selten hat ein Thema die EU-Bürger so elektrisiert wie die Frage, ob auch künftig die Uhren im März und Oktober vor- und wieder zurückgestellt werden sollen. Wer mitreden will, kann dies noch heute bis Mitternacht tun. Dann endet die Befragung der Europäischen Kommission.

Es ist ein Rhythmus, bei dem jeder mit muss: Seit 1996 stellen die EU-Staaten zwei Mal im Jahren die Uhren um – in Deutschland sogar schon seit 1980. Wie lange noch? Das hängt entscheidend von der Umfrage ab, die die europäische Verwaltung im Internet durchführt. Der Ansturm ist gewaltig. Nur wenige Stunden, nachdem die Kommission Anfang Juli die Aktion gestartet hatte, gingen die Server erst einmal in die Knie. Von rund einer Million Bürger, die sich zu Wort gemeldet haben, war Anfang August die Rede – der Trend halte seither an, heißt es in Brüssel. Nur in welche Richtung die Stimmung geht, wollte kein offizieller Vertreter bisher sagen. Dabei lassen sich erste Meinungsbilder aus anderen Umfragen erschließen: In Österreich scheint es eine Mehrheit für die gegenwärtige Lösung mit Normal- und Sommerzeit zu geben. Dagegen rechnen Experten mit einer Mehrheit von vielleicht 75 Prozent für eine ewige Sommerzeit aus Deutschland. Die Regierungen Litauens und Estlands haben sogar schon offiziell mitgeteilt, dass sie von der normalen Zeit während der Wintermonate weg wollen.

Wer das Formular der EU-Verwaltung im Internet aufruft, muss sich zwar mit Namen und persönlichen Angaben identifizieren, um Mehrfach-Voten zu verhindern. Allerdings kann der Nutzer auf einer anonymisierten Behandlung der Daten bestehen. Erst dann darf der mündige EU-Bürger ausführlich darstellen, ob er die gegenwärtige Regelung weiter beibehalten möchte. Entscheidet er sich dagegen, wird er nach seiner Präferenz für die winterliche Normalzeit oder die Sommerzeit gefragt. Das Ergebnis hat zwar keinerlei verbindliche Rechtskraft, dürfte aber doch erheblichen Einfluss auf die Stellungnahme der Kommission haben, die diese anschließend den Mitgliedstaaten sowie dem EU-Parlament vorlegt. Das Für und Wider spaltet nicht nur die Bürger und EU-Politiker. Auch Wissenschaftler meldeten sich zu Wort. Der Biologe Peter Spork, Autor des Buches „Wake up“, sagt zur Uhrenumstellung, sie trage „in einer übermüdeten Gesellschaft zusätzlich zur Erschöpfung bei“. Die Frage laute, ob „die Menschen bereit sind, sieben Monate im Jahr täglich eine Stunde weniger zu schlafen“. Schließlich gehe man in der Sommerzeit später ins Bett, stehe aber zur gleichen Stunde auf. Von den Energie-Einsparungen, die bei der Einführung des Zeitenwechsels Ende März und Ende Oktober als Gründe genannt wurden, spricht ohnehin kaum jemand mehr. Der Effekt trat nie wirklich ein. Stattdessen gab es eine wachsende Zahl von Untersuchungen zu den negativen Folgen auf den menschlichen Biorhythmus. Studien zufolge steigt in den Tagen nach der jeweils neuen Zeit die Unfallrate im Straßenverkehr um bis zu 30 Prozent. Von den Folgen für Kinder und Tiere ganz zu schweigen.

Wer noch mitmachen will, muss sich beeilen. Heute um 24 Uhr wird die Abstimmung geschlossen. Bis dahin soll die Internetseite online bleiben: https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/2018-summertime-arrangements

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort