Mordprozess Der Rentner in der Tiefkühltruhe

Berlin · Ein einsamer Witwer wird in Berlin erschossen, zerteilt und jahrelang in einer Kühltruhe versteckt. Der erste Prozesstag gegen den mutmaßlichen Mörder ist nur kurz. Doch auf dem Gerichtsflur werden Details der Tat bekannt.

 Der 56-jährige Angeklagte soll zehn Jahre lang die Rente für Toten kassiert haben.

Der 56-jährige Angeklagte soll zehn Jahre lang die Rente für Toten kassiert haben.

Foto: dpa/Paul Zinken

(dpa) Zehn Jahre lag die Leiche des zerstückelten Berliner Rentners versteckt in einer Tiefkühltruhe in seiner eigenen Wohnung. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder begann am Freitag am Berliner Landgericht – und obwohl der erste Verhandlungstag kurz war, wurden viele Details zu dem grausigen Verbrechen bekannt.

Der 56-jährige Angeklagte saß mit hochrotem Gesicht, Jackett und grauem Kapuzenshirt hinter Panzerglas im Saal 500. Die Anklage wirft ihm Mord aus Habgier, Heimtücke und zur Ermöglichung einer anderen Straftat vor. Der Mann, der sich das Vertrauen des zuletzt 80-Jährigen erschlichen habe, soll sein Opfer zwischen dem 30. Dezember 2006 und dem 1. Januar 2007 in dessen Wohnung erschossen, in einer Kühltruhe versteckt und etwa zehn Jahre lang die Rente des Witwers von monatlich 2000 Euro kassiert haben.

Staatsanwalt Reinhard Albers geht von einer geplanten Tat aus: Die Tiefkühltruhe sei kurz vor dem Mord in die Wohnung geliefert worden, sagte er auf dem Gerichtsflur. Der Rentner sei mit einem Kopfschuss durch die Stirn getötet worden. Die Leiche müsse gleich danach zerteilt worden sein. „Sie war zu 100 Prozent erhalten.“ Die Waffe sei nicht gefunden worden. Der Angeklagte habe in der Nähe gewohnt und sich zuvor um den Senior gekümmert.

Nur durch Zufall wurde das Verbrechen entdeckt. Ein Nachbar hatte sich laut Staatsanwalt gewundert, dass er den einsam lebenden Witwer nicht mehr sah. Nach vergeblichen Anrufen bei der Hausverwaltung habe der Mann eine Polizeistreife überredet, nach dem Rechten zu sehen.

„Sie machte dann den grausigen Fund“, sagte Albers. Die Wohnung sei klinisch sauber gewesen, auf der Eistruhe habe eine Tischdecke gelegen, darauf ein Blumentopf. „Alles sah aus wie in einer Puppenstube.“ Der Angeklagte sei nach der Tat oft dort gewesen, habe gelüftet und an der Nachttischlampe eine Zeitschaltuhr installiert.

Das Verbrechen hatte auch die Frage aufgeworfen, ob ältere Menschen gerade in Großstädten zunehmend vereinsamen. Der Staatsanwalt hoffte, dass Rentenversicherer aus dem Fall lernten, es „nicht so anonym laufen zu lassen“.

Der nicht vorbestrafte Angeklagte, Inhaber eines Trödelladens, habe als nett, freundlich und unauffällig gegolten. „Er lebte ähnlich einsam wie sein Opfer“, sagte der Staatsanwalt. Er habe aber viel Geld verspielt und sei möglicherweise spielsüchtig. Mit gefälschter Unterschrift soll er Schreiben an die Verwaltung des Mietshauses geschickt, Steuererklärungen verfasst und einen Post-Nachsendeauftrag erteilt haben – um vorzutäuschen, dass der Rentner noch lebe. Die Leiche sei „im allerletzten Augenblick“ gefunden worden, sagte der Ankläger. Der 56-Jährige habe die Wohnung bereits gekündigt gehabt. „Im Februar wäre sie vielleicht schon leer gewesen.“

Laut Gericht gibt es Hinweise auf ein weiteres Gewaltverbrechen. Der Verdächtige soll auch die Rente einer Seniorin kassiert haben, die seit Ende 2000 verschwunden ist. Zwischen 500 und 800 Euro monatlich sollen auf das Konto des getöteten Rentners umgeleitet worden sein. Es gebe keine Hinweise auf freundschaftliche oder familiäre Beziehungen zwischen der verschwundenen Frau und dem getöteten Mann. Sie sollen sich nicht gekannt haben.

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