Der Jahrhundert-Traum-Tunnel

London · Die Idee des Eurotunnels zwischen Großbritannien und Frankreich geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Doch erst Ende der 1980er Jahre starteten beide Staaten den Bau des Fahrwegs unter Wasser.

Sie kletterten auf Lastwagen oder versteckten sich in Zügen, um ins Vereinigte Königreich zu gelangen. Die Sehnsucht nach einer neuen Perspektive trieb im Sommer viele Flüchtlinge dazu, ihr Leben auf dem Weg von Frankreich nach Großbritannien zu riskieren. Als Folge erhöhten beide Staaten die Zäune, verstärkten die Absperranlagen, stockten das Sicherheitspersonal auf. Noch immer harren Hunderte im Zeltlager im nordfranzösischen Calais aus. Die letzte, für viele unüberwindbare Hürde bleibt der Eurotunnel - diese technische Meisterleistung unter dem Ärmelkanal, die die europäische Idee verkörpern soll.

Von London nach Paris dauert es mit dem Eurostar nicht einmal zweieinhalb Stunden, nach Brüssel nur gut zwei Stunden. Vor 25 Jahren ging mit dem Eurotunnel ein Jahrhunderte alter Traum in Erfüllung. Obwohl 15 000 Arbeiter beschäftigt waren und ab 1987 von beiden Seiten gleichzeitig gebaut wurde, begrüßten sich erst am 1. Dezember 1990 mit Helm auf dem Kopf und Landesfahne in der Hand der französische Arbeiter Philippe Cozette und sein britisches Gegenüber Graham Fagg durch ein kleines Loch 40 Meter unter dem Meeresboden. Vier Jahre später wurde der Eurotunnel , bestehend aus drei Röhren, die gut 50 Kilometer lang sind, eingeweiht.

Bereits im Jahr 1802 legte der französische Bauingenieur Albert Mathieu einen ersten Tunnel-Entwurf vor, um England und Frankreich zu verbinden. Heute klingt er abenteuerlich: Pferdekutschen sollten die Passagiere transportieren, hölzerne, über der Wasseroberfläche herausragende Lüftungstürme waren für den Luftaustausch geplant. Technische Probleme und ein Krieg zwischen den beiden Staaten machten das Konzept zunichte.

Erst 1986 unterzeichneten Mitterrand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher den Eurotunnel-Vertrag. Auf ihr Drängen hin sollte das am Ende rund 15 Milliarden Euro teure Projekt ohne jegliche Staatshilfe auskommen. Den Anfangsschwierigkeiten - elf Arbeiter kamen beim Tunnelbau ums Leben - folgten zudem immer wieder Probleme und teils schwere Unfälle im Tunnel, der aus zwei eingleisigen Fahrtunneln und einem dazwischenliegenden Servicetunnel für Autos besteht. Seit einigen Jahren aber berichtet die Bahnverbindung von steigenden Umsätzen und Passagierzahlen. Rund 20 Millionen Menschen fahren jährlich mit dem Eurostar. Für Touristen gilt die Fahrt als einer der Reise-Höhepunkte. Dabei bleibt es dunkel. Nur der Ohrendruck erinnert sie daran, dass sie sich 45 Meter unter dem Boden des Ärmelkanals befinden.

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