Der Horror-Crash von Bad Aibling

Bad Aibling · Der Zusammenstoß trifft die Fahrgäste völlig unvermittelt, als in einer Kurve bei Bad Aibling zwei Pendler-Züge aufeinanderprallen. Die Ursache ist nach ersten Ermittlungen „menschliches Versagen“.

Bei dem schwersten Zugunglück in Deutschland seit vielen Jahren sind gestern im oberbayerischen Bad Aibling mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Zwei Nahverkehrszüge waren im morgendlichen Berufsverkehr auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal ineinander gekracht. Dabei wurden 18 Menschen schwer und 63 leicht verletzt, wie die Polizei mitteilte. Mindestens ein Opfer wurde zunächst noch vermisst und in den Trümmern vermutet.

Als die Züge am Morgen gegen 6.45 Uhr zusammenstießen und sich die Triebwagen ineinander verkeilten, entgleiste einer der Züge und mehrere Waggons kippten zur Seite. "Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen", berichtete Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) in Bad Aibling (Landkreis Rosenheim). "Das sind Bilder, die einen natürlich auch sehr stark emotional belasten, weil man sich nicht vorstellen kann, dass solche Unglücke auch bei uns vorkommen können."

Die Ursache für den Unfall ist nach ersten Ermittlungen "menschliches Versagen". Wer genau für das Unglück verantwortlich zu machen ist, war zunächst nicht bekannt. Die Züge waren in einer langgezogenen Kurve zusammengestoßen. Dort dürfen sie maximal 100 Stundenkilometer fahren. Weil die beiden Lokführer sich aufgrund der Kurve erst sehr spät sehen konnten, gehen die Fachleute davon aus, dass die Züge "mit sehr hoher Geschwindigkeit" zusammenstießen. Die Strecke wird mithilfe des "Punktförmigen Zugbeeinflussungssystems" kontrolliert - "ein System, das automatisch dafür sorgen soll, dass das Aufeinandertreffen von Zügen nicht stattfindet, indem Züge zwangsgebremst werden, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke sind, Signale überfahren oder Ähnliches", schilderte Dobrindt. Das System war erst in der vergangenen Woche ohne Auffälligkeiten kontrolliert worden.

Die Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Ein Großaufgebot von rund 700 Rettungskräften mit vielen Hubschraubern und Krankenwagen kümmerte sich um die Verletzten. Hilfe kam selbst aus Österreich. Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, wo sämtliche nicht akuten Operationen abgesagt wurden, um Kapazitäten für die Versorgung der Opfer zu schaffen.

Nachdem die Ausmaße des Unglücks im Laufe des Vormittags immer größer wurden, sprachen zahlreiche Politiker aus dem In- und Ausland den Opfern und deren Angehörigen ihr Mitgefühl aus. "In Gedanken bin ich auch bei den zahlreichen Verletzten, die mit den Folgen des Unglücks ringen", sagte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ). Auch Russlands Präsident Wladimir Putin und der französische Premierminister Manuel Valls schlossen sich den guten Wünschen an.

In den Zügen auf dieser Strecke sitzen morgens zahlreiche Pendler, von denen viele weiter nach München fahren. Zum Glück seien keine Schüler in den Zügen gewesen, sagte ein Polizeisprecher. In Bayern sind derzeit Faschingsferien.

Das Unglück soll auch Thema im Bundestag werden. Der Verkehrsausschuss wird sich voraussichtlich bereits in der nächsten Sitzungswoche damit beschäftigen. "Es ist klar, dass alles getan wird, um das restlos aufzuklären", betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU ). Schließlich müssten Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden. "Auch wenn es die 100-prozentige Sicherheit nie geben kann, müssen wir alles dafür tun, um menschliches wie technisches Versagen so weit wie möglich auszuschließen."

Zum Thema:

Auf einen BlickIn den vergangenen Jahren kam es zu mehreren schweren Zugunglücken:Juni 1998: Im niedersächsischen Eschede prallen mehrere Waggons eines ICE gegen eine Straßenbrücke. 101 Menschen sterben.Februar 2000: Bei Köln entgleist ein Nachtzug. Bilanz: neun Tote .Juni 2003: Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge zusammen. Sechs Menschen sterben.Januar 2011: Zehn Menschen sterben als in Oschersleben in Sachsen-Anhalt zwei Züge kollidieren. fp/dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort