Der dritte Beatle - Der stille Beatle

London. John Lennon war ein Genie, aber mit Riesen-Ego. Paul McCartney ist lustig, hatte bei Frauen nicht immer Glück, ist aber der geschäftstüchtigste der Pilzköpfe. Ringo Starr ist und bleibt ein Drummer, der am liebsten draufhaut. Ganz anders George Harrison, 1943 in Liverpool geboren

 George Harrison im Jahr 1966. Sein Gesicht erinnerte viele an den leidenden Jesus. Foto: dpa

George Harrison im Jahr 1966. Sein Gesicht erinnerte viele an den leidenden Jesus. Foto: dpa

London. John Lennon war ein Genie, aber mit Riesen-Ego. Paul McCartney ist lustig, hatte bei Frauen nicht immer Glück, ist aber der geschäftstüchtigste der Pilzköpfe. Ringo Starr ist und bleibt ein Drummer, der am liebsten draufhaut. Ganz anders George Harrison, 1943 in Liverpool geboren. Sein Vater war Busfahrer, die Mutter Hausfrau, kleine Verhältnisse, der Sohn entfloh ihnen in die Musik. Er hatte Glück, als Lennon und McCartney ihn als 15-Jährigen in ihre Band The Quarrymen aufnahmen. Aber als daraus die Beatles wurden, war Harrison der ewige Dritte, der im Schatten der beiden Großen standDabei hat er Unvergessliches komponiert, einige der schönsten Beatles-Songs stammen von ihm. Alle kennen "Here Comes The Sun" oder "While My Guitar Gently Weeps". George Harrison war es, der die Formation in neue Sphären, nämlich nach Indien brachte, zu Hare Hare Krishna, zur psychedelischen Musik und damit das Album "Sgt. Pepper", eines der besten und meistverkauften der Beatles, inspirierte. Aber George Harrison war kein einfacher Zeitgenosse, er litt an einer gespaltenen Persönlichkeit, war mal spirituell und mal der wilde Rock'n'Roller.

Das hat seine zweite Frau und Nachlassverwalterin Olivia Harrison jetzt preisgegeben. 1978 hatte die Kalifornierin George geheiratet und war zu ihm nach England gezogen, ins Themsestädtchen Henley on Thames, 50 Kilometer westlich der britischen Hauptstadt. Dort residierten die Harrisons in einem Anwesen hinter Mauern und Stacheldraht, mit einem riesigen Garten und neogotischem Herrenhaus. Harrisons erste Frau Pattie hatte George in einer Laune an seinen Freund Eric Clapton abgetreten. "Nimm sie, sie gehört dir", soll er zu dem begnadeten Gitarristen gesagt haben. Die Männerfreundschaft mit Clapton, der sich in Pattie verliebt hatte, war ihm wichtiger als die Frau. Frauen seien aber "immer eine Herausforderung" für ihre Ehe gewesen, erklärt Harrisons zweite Frau und Mutter seines Sohnes Dhani. "Er hat Frauen geliebt, und Frauen liebten ihn", gibt sie unumwunden zu und bezeichnet den angeblich sanften Gatten als "heißblütig". Das war so bisher noch nicht zu vernehmen. Einzig Klaus Voormann, Harrisons deutscher Freund, verkündete einmal, George sei "ein extremer Charakter" gewesen.

Die Witwe hat zusammen mit Mark Holborn die Hinterlassenschaften des dritten Beatle über Jahre durchforstet. Entstanden ist daraus eine opulente Biografie (George Harrison: Living in the Material World) mit privaten Bildern, die noch nie zu sehen waren. Zugleich entstand eine dreieinhalbstündige Dokumentation, für die sich Martin Scorsese gewinnen ließ. In ihr erscheint George Harrison oft ganz anders als das Klischee von ihm es will. Er war eben nicht nur ein guter Gitarrist, der gern Bäume pflanzte, seine ausgeprägte Spiritualität pflegte und einfühlsam war im Umgang mit anderen Menschen. Er war nicht nur meditierend unterwegs, sondern auch als riskante Wetten machender Besucher von Autorennen. Er konnte von heiligem Ernst sein, sein Gesicht wurde gern mit dem des leidenden Jesus verglichen, aber er riss auch böse Witze und versuchte das Finanzamt auszutricksen. Er war der Wohltäter, der das erste All-Star-Konzert überhaupt, 1971 für das leidende Bangladesh nach der Flutkatastrophe organisierte, konnte aber auch mächtig nerven mit seinen moralinsauren Anmerkungen. Ihr Mann habe sich nur über Songs zu seinen wahren Gefühlen geäußert, erklärt seine Frau. Da "kam alles heraus".

 George Harrison und seine Frau Olivia bei der Vorstellung des Albums "Nobody's Child" im Juli 1990. Foto: dpa

George Harrison und seine Frau Olivia bei der Vorstellung des Albums "Nobody's Child" im Juli 1990. Foto: dpa

 George Harrison im Jahr 1966. Sein Gesicht erinnerte viele an den leidenden Jesus. Foto: dpa

George Harrison im Jahr 1966. Sein Gesicht erinnerte viele an den leidenden Jesus. Foto: dpa

 George Harrison und seine Frau Olivia bei der Vorstellung des Albums "Nobody's Child" im Juli 1990. Foto: dpa

George Harrison und seine Frau Olivia bei der Vorstellung des Albums "Nobody's Child" im Juli 1990. Foto: dpa

1999 gelang es einem psychisch Kranken, in das Anwesen der Harrisons einzudringen. Er attackierte George mit einem Messer, bis Olivia ihn mit einer Lampe schlug, so dass er in Ohnmacht fiel. George, schwer verletzt, hat diese Erfahrung sehr betroffen gemacht, er befasste sich fortan mit dem Tod. Und war gefasst, als er am 29. November 2001 zu ihm kam. George Harrison starb an Krebs im Kreis seiner Familie. Olivia sieht ihr Nachlassprojekt nach zehn Jahren im Archiv abgeschlossen.

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