Der Aufklärer der Nation ist tot

Amsterdam. Fast sein ganzes Leben widmete Oswalt Kolle einer Idee: Niemand sollte die Lust an der Liebe unterdrücken müssen. Weil er einer der Ersten war, der dieses Lebensgefühl nicht nur empfand, sondern auch dafür kämpfte, wurde Kolle in den 1960er Jahren zum "Aufklärer der Nation". Kurz vor seinem 82. Geburtstag an diesem Samstag ist Kolle am 24

Amsterdam. Fast sein ganzes Leben widmete Oswalt Kolle einer Idee: Niemand sollte die Lust an der Liebe unterdrücken müssen. Weil er einer der Ersten war, der dieses Lebensgefühl nicht nur empfand, sondern auch dafür kämpfte, wurde Kolle in den 1960er Jahren zum "Aufklärer der Nation". Kurz vor seinem 82. Geburtstag an diesem Samstag ist Kolle am 24. September in seiner Wahlheimat Amsterdam gestorben. Das bestätigte seine Familie jetzt.

Sein Vater brachte Kolle zu seinem späteren Lebensthema: Er ließ ihn 1948 den vom US-Forscher Alfred Kinsey erstellten ersten Report über die Sexualität des Mannes übersetzen. Doch erst als er als Journalist der "Quick" bei einem Bericht über einen Sex-Skandal zensiert wurde, empfand Kolle das Bedürfnis, fortan für eine neue Sexualmoral zu schreiben. Sein größter Erfolg war in den 60er Jahren eine Serie über die Sexualität der Frau für die "Neue Revue". Als er Leserinnen bat, ihre Erfahrungen zu berichten, bekam er 10 000 Antworten. "Der Tenor dieser Briefe war unisono, dass Frauen mit gleichaltrigen Partnern nur negative Erfahrungen gemacht hatten. Sie schrieben: Das soll schön sein? Das ist wie Vergewaltigung!" Es entstanden aus diesen Berichten und Gesprächen mit Ärzten die Bücher "Dein Mann, das unbekannte Wesen" und "Deine Frau, das unbekannte Wesen", die später verfilmt wurden.

Kolles erster Film aber war "Das Wunder der Liebe", der 1968 in die Kinos kam. Jede einzelne Szene habe er mit den Zensoren diskutieren müssen. "Herr Kolle, Sie wollen wohl die ganze Welt auf den Kopf stellen, jetzt soll sogar die Frau oben liegen", empörten sie sich. Doch sechs Millionen Menschen alleine in Deutschland sahen den Film, der auch international zum Erfolg wurde.

Kolle verspürte nun einen inneren Auftrag, wie er selbst sagte: "Die Idiotie der Jungfräulichkeit, Homosexualität, Abtreibung und natürlich die Sexualität zwischen Mann und Frau" habe er thematisieren wollen. Er habe die "Erotik der Frauen sexualisieren, und die Sexualität der Männer erotisieren" wollen. Doch was Kolle da tat, war für viele ein Skandal. Die katholische Kirche verbreitete Aushänge, dass Katholiken die Kolle-Filme nicht sehen dürfen. Eine Zeitung verglich ihn gar mit Hitler: "Was ich mache, sei schlimmer, als der Zweite Weltkrieg. Plötzlich hatte ich die Bürgerlichen und die Katholiken als Gegner."

Doch je stärker sich die entkrampfende Wirkung der Kolle-Filme auf die verklemmte Bundesrepublik zeigte, je mehr bekam dieser auch Anerkennung. Die "Zeit" schrieb, Kolle sei der mutigste Kämpfer für die "Entteufelung des Unterleibs" gewesen. Bis an sein Lebensende blieb er seinem Thema treu, zuletzt warb er für einen offeneren Umgang mit der Sexualität von alten Menschen.

Kolle hinterlässt seine Lebensgefährtin und drei erwachsene Kinder. Seine Frau Marlies war 2002 gestorben. Mit ihr war er 48 Jahre verheiratet.

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