Der angekündigte Tod

Washington · Countdown bis zum Tod: Statt sich der zerstörerischen Kraft ihres Gehirntumors hinzugeben, nimmt sich die 29-jährige Brittany Maynard das Leben.

 Das Hochzeitsfoto zeigt Brittany zusammen mit ihrem Mann Dan am 29. September 2012, kurz bevor die Ärzte den unheilbaren Tumor feststellten. Das rechte Bild stammt aus einem Video. Fotos: dpa

Das Hochzeitsfoto zeigt Brittany zusammen mit ihrem Mann Dan am 29. September 2012, kurz bevor die Ärzte den unheilbaren Tumor feststellten. Das rechte Bild stammt aus einem Video. Fotos: dpa

Brittany Maynard starb, wie sie sterben wollte. Sie lag zu Hause in ihrem Bett, umgeben von Menschen, die sie liebte, die sie um sich haben wollte in den letzten Stunden ihres Lebens. Ihr Mann Dan war da, ihre Mutter, ihr Stiefvater, ihre beste Freundin.

Dies sei der Tag, an dem sie beschlossen habe, Abschied zu nehmen, "in Würde angesichts meiner tödlichen Krankheit", schrieb sie zuvor noch auf ihrer Facebook-Seite. Der furchtbare Hirntumor, an dem sie leide, habe ihr bereits so viel genommen, aber er hätte noch viel mehr genommen, hätte sie nicht beschlossen, ihrem Leben freiwillig ein Ende zu setzen. "Die Welt ist ein wunderbarer Ort, Reisen waren mein bester Lehrer, meine engen Freunde und Verwandten sind die größten Geber. Mach's gut, Welt."

Die Organisation "Compassion & Choices", die Brittany Maynards Fall benutzte, um medienwirksam für die Ausweitung der Sterbehilfe einzutreten, stellte ihr letztes Video ins Internet. Ihre Krampfanfälle seien zuletzt immer häufiger geworden, die Schmerzen am Kopf und im Nacken heftiger, die 29-Jährige habe unter Symptomen gelitten, die an Schlaganfälle denken ließen, sagte ein Sprecher. Deshalb habe sie am Samstag beschlossen, zu jener tödlichen Dosis Tabletten zu greifen, die ihr ein Arzt bereits vor Wochen verschrieben hatte.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich eine Todkranke mit ärztlicher Hilfe das Leben nimmt. Allein in Oregon, einem Pazifikstaat mit besonders liberalen Paragrafen, sind etwa 750 Menschen freiwillig gestorben, seit 1997 der "Death With Dignity Act" in Kraft trat, ein Gesetz, in dem nicht vom Suizid die Rede ist, sondern von einem Tod in Würde. Aber die anderen waren im Durchschnitt 71 Jahre alt, während Brittany Maynard das Leben noch vor sich hatte. Ihre Jugend, die Klarheit ihrer Gedanken, die bewundernswerte Haltung, die sie bewahrte - das alles gab ihrer Stimme ein Gewicht, wie es vor ihr kaum jemand hatte in der Debatte um Pro und Contra der Sterbehilfe . Als sie vor gut drei Wochen zum ersten Mal an die Öffentlichkeit ging, legte sie das Datum ihres Freitods auf den 1. November, zwei Tage nach Dans Geburtstag. "Das Schlimmste, was mir passieren könnte, ist, dass ich zu lange warte, dass mir die Krankheit meine Autonomie raubt, weil ich versuche, jeden Tag voll zu nutzen", ließ sie wissen.

Reise zum Grand Canyon

Im Hubschrauber flog sie zum Grand Canyon, um das Schluchtenweltwunder noch einmal zu bestaunen. Davor war sie in den Yellowstone-Nationalpark gefahren und nach Alaska - systematisch arbeitete sie ihre "bucket list" ab, die Liste ihrer letzten Wünsche. Am Tag nach dem Ausflug zum Grand Canyon, schrieb sie, sei es ihr richtig schlecht gegangen. Brittany Maynard hat in Berkeley studiert, an einer der besten Universitäten des Landes. Sie wollte Lehrerin werden, die Welt erkunden, sie war in Nepal und am Kilimandscharo. Im Herbst 2012 heiratete sie Dan Diaz, einen Marktforscher. Am Neujahrstag 2014 entdeckten die Ärzte einen Tumor in ihrer rechten Schädelhälfte, und nachdem sich anfängliche Prognosen als zu optimistisch erwiesen hatten, diagnostizierten sie ihn als Glioblastom , unheilbaren Krebs der aggressivsten Stufe IV: Sie habe noch ungefähr sechs Monate zu leben. Im Sommer zog Brittany Maynard von San Francisco nach Portland in Oregon, einer der fünf Bundesstaaten, die Sterbehilfe erlauben (die anderen sind Montana, New Mexico, Vermont und Washington ).

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