Dem Prickeln auf der Spur

Reims. Gerard Liger-Belair liebt Bläschen. Und die haben dem Franzosen einen der vermutlich besten Jobs verschafft, den sich ein Physiker vorstellen kann: In seinem Forschungslabor an der Universität von Reims geht der 41-Jährige dem Geheimnis des Champagner-Prickelns auf den Grund

Reims. Gerard Liger-Belair liebt Bläschen. Und die haben dem Franzosen einen der vermutlich besten Jobs verschafft, den sich ein Physiker vorstellen kann: In seinem Forschungslabor an der Universität von Reims geht der 41-Jährige dem Geheimnis des Champagner-Prickelns auf den Grund. Was verschafft dem legendären Schaumwein seinen Glanz und das Prickeln, das er auf der Zunge verursacht? Und warum bilden sich ab und an kleine Gruppen von Bläschen?Fest steht: Mit den Bläschen steht und fällt der Champagner. Sie seien "das Herz des Champagners", sagt Liger-Belair. Der Perlwein wird in zwei Phasen hergestellt, wie der Physiker erläutert. Zuerst wird aus den Trauben im Champagner-Anbaugebiet rund um die Stadt Reims ein Wein gekeltert, dem dann Hefe und etwas Zucker beigefügt werden. Anschließend werden die abgefüllten Flaschen mit dem Hals nach unten gelagert und täglich ein Mal um ihre eigene Achse gedreht, was die Gärung erleichtert. Dabei entsteht die Kohlensäure, die den Champagner perlen lässt.

Liger-Belairs Arbeit beginnt, sobald der Champagner fertig ist: Wie bilden sich die Bläschen, wie perlen sie nach oben, welche aromatischen Moleküle steigen aus jedem Glas in die Nase? Der Physiker zeigt Aufnahmen von einer Blase, die mit einer Hochgeschwindigkeitskamera gemacht wurden: Die Blase steigt an die Oberfläche, wo sie explodiert und einen kleinen Krater aufreißt. Wenn sich der Krater schließt, wird eine winzige Menge Flüssigkeit nach oben geschleudert, Aromastoffe spritzen in die Nase. Die Mini-Tröpfchen könnten "bis zu zehn Zentimeter fliegen", erläutert Liger-Belair.

Positive Signale ans Gehirn

Mit Hilfe eines hochauflösenden Spektrometers hat Liger-Belair zudem die chemischen Strukturen von Champagner-Proben untersucht. Dabei fand er heraus, dass das Prickeln von "spannungsaktiven Molekülen" verursacht wird, von denen viele auch das typische Aroma einer Champagnersorte enthalten. Die Champagner-Bläschen sprechen Kohlensäure-Rezeptoren auf der Zunge an, die umgehend positive Signale an das Gehirn leiten.

Geklärt ist auch, warum von bestimmten Stellen eines Glases oft Fäden von Bläschen nach oben steigen: Das passiert, wenn am Rand ein winziges Teilchen haftet, etwa die Faser eines Geschirrspültuchs. Moleküle schließen sich dort zusammen und bilden Bläschen. Gläser, die frisch gewaschen und hitzegetrocknet aus dem Geschirrspüler kommen, können dagegen zu sauber sein - wodurch der Champagner enttäuschend wenig perlt. Manche Glashersteller ritzen eigens mit Laser kleine Punkte auf den Grund der Champagnerkelche, um so besonders hübsch perlende Bläschenreihen zu erzeugen.

Liger-Belairs Studien wurden vor allem in Fachzeitschriften für Physiker veröffentlicht. Aber auch Winzern kommen sie zugute. So haben die meisten Häuser in der Champagne den Zuckergehalt pro Liter, der traditionell bei 24 Gramm lag, auf bis zu 18 Gramm reduziert. Mit dem Zucker werde der Gehalt an Kohlendioxid reduziert. Dadurch entstünden kleinere Bläschen. "Die meisten Leute bevorzugen einen besonders fein perlenden Schaumwein", weiß der Physiker.

Er selbst hat übrigens wenig vom Objekt seiner Untersuchungen. Wenn er mit einem Experiment fertig sei, sei der Perlwein zu warm und nicht mehr genießbar, sagt Liger-Belair. "Vermutlich hat weltweit niemand so viel Champagner in den Abfluss gegossen wie ich."

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