Deutschlands Delfinarien Delfine auf Valium – muss das sein?

Nürnberg · Gegner und Befürworter streiten seit Jahren, ob die artgerechte Haltung der Meeressäuger in Gefangenschaft möglich ist.

 In Deutschland gibt es nur noch zwei Delfinarien: in Nürnberg und, wie hier gezeigt, in Duisburg. Besonders die kleinen Besucher erfreuen sich an den Meeressäugern.

In Deutschland gibt es nur noch zwei Delfinarien: in Nürnberg und, wie hier gezeigt, in Duisburg. Besonders die kleinen Besucher erfreuen sich an den Meeressäugern.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Im Nürnberger Tiergarten läuft eine Show mit Seltenheitswert in Deutschland: Ein Pfleger gibt ein Zeichen, lockt mit Fisch. Wie Pfeile schießen zwei Del­fine mehrere Meter in die Höhe und planschen mit den Schnauzen voran ins Nass zurück. Aus der Zuschauermenge ist Johlen zu hören, vor allem von den Kleinen.

Seit Jahren schon wogt ein hochemotionaler Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Delfinhaltung. Die einen sehen darin eine Tortur für die Tiere. Zu beengt seien Delfinarien. Für die anderen sind die  Anlagen dagegen ein wichtiger Beitrag zu Artenschutz und Forschung. Es scheint, als bekämen die Kritiker Oberwasser. In Deutschland gibt es nach etlichen Schließungen neben der Nürnberger Anlage nur noch ein weiteres Delfinarium in Duisburg. In Frankreich wurde jüngst die Nachzucht von Delfinen und Orcas in Gefangenschaft verboten.

Der Nürnberger Tiergartenchef Dag Encke kann darüber nur den Kopf schütteln und hat eine Vermutung für den Entschluss. Er kenne den Vorwurf, dass Delfine in Deutschland unter Drogen gesetzt würden und nicht anders zu halten seien. Dabei stimme das gar nicht, betont Encke. „Tiere in den Delfinarien werden medizinisch behandelt, was völlig normal ist.“ Ihnen werde unter anderem Diazepam gegeben, ein Psychopharmakon, auch als Valium bekannt. Meist diene das Mittel der Appetitanregung. Das helfe, wenn dem Tier jeden Tag ein Medikament verabreicht werden müsse, das über den Verdauungstrakt aufgenommen wird.

Bei einer höheren Dosis würden die Tiere entspannter, bekämen die sogenannte „Rosa Brille“, sagt Encke. Das helfe, wenn sich „ein Konflikt zwischen zwei Tieren hochgepuscht“ habe. Und schließlich gebe es bei hohen Dosen die Sedierung – vor Operationen oder Transporten in andere Einrichtungen. Eine traumatische Erfahrung sei das für die Tiere aber nicht, versichert Encke. „Tiere sind es ja gewohnt, in Bedrängnis zu geraten. Sobald die Bedrängnis aufhört, verhalten sie sich wieder normal.“

Für Tanja Breining von der Tierrechtsorganisation Peta ist allerdings nichts normal am Umgang mit den Delfinen. Gerade die Medikamentengabe zur sozialen Ruhigstellung sieht die Meeresbiologin kritisch. Denn in der Natur könnten Delfine ausweichen, sich ihre Artgenossen aussuchen und seien nicht gezwungen, mit jemandem zusammenzuleben, mit dem sie nicht zurechtkämen.

Dabei hätten Wissenschaftler bei Delfinen ein Selbstbewusstsein nachgewiesen. Das bedeute, dass sie sich ihrer Gefangenschaft bewusst seien und besonders darunter litten, sagt Breining. Delfine in Freiheit hätten wesentlich mehr Bewegungsspielraum. Vor allem kritisiert Peta die Kargheit der Becken. Im Delfinarium gebe es nur Kacheln und Beton, in freier Wildbahn aber Sand, Felsen und andere Tiere. Daher begrüße sie die Entscheidung in Frankreich.

Zoodirektor Encke kennt die Argumente der Haltungsgegner – und sieht sich in einem Marathonlauf, der noch nicht entschieden sei. „Der Vorteil einer solchen Diskussion ist, dass sie uns Schub gibt in der Entwicklung.“ Der Tiergarten Nürnberg habe etwa im Sommer 2011 den Ausbau des Wassergeheges zu einer großen Delfinlagune abgeschlossen. Das hätte sich politisch nie durchsetzen lassen, wenn es vorher den gesellschaftlichen Druck nicht gegeben hätte, meint Encke.

Den Druck erhalten Aktivisten weiter aufrecht. Die Delfin-Kampagne von Peta rufe die Zoos auf, die in Gefangenschaft gehaltenen Meeressäuger in Auffangstationen im Meer zu überführen. Nötig seien auch größere Meeresschutzgebiete, in denen die Tiere artgerecht und unbehelligt von Fischerei leben könnten, sagt Breining. Aus umfangreicher Forschung in den letzten Jahren ziehen die Zoologischen Gärten den Schluss, dass man die Delfine unter tiergerechten Bedingungen halten könne. Und die Einrichtungen passten sich an den Stand der Forschung an, sagt der Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten, Volker Homes: „Wenn man Bilder sieht von der Delfinhaltung in Duisburg vor 30 Jahren – mit so einem Delfinarium würde heute niemand mehr durchkommen.“

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