Das Schweigen der Bienen

Appenweier. Im badischen Rheintal stehen Weidekätzchen und Wildkirschen zwar schon längst in voller Blüte. Doch in den Bäumen ist es erschreckend still: Es fehlt das Summen der Bienen. Hektik herrscht dagegen in der Geschäftstelle des Landesverbands Badischer Imker in Appenweier

Appenweier. Im badischen Rheintal stehen Weidekätzchen und Wildkirschen zwar schon längst in voller Blüte. Doch in den Bäumen ist es erschreckend still: Es fehlt das Summen der Bienen. Hektik herrscht dagegen in der Geschäftstelle des Landesverbands Badischer Imker in Appenweier. Dort rufen immer mehr der landesweit 7000 Imker an und klagen über ein Bienensterben entlang der Rheinlinie. Der plötzliche millionenfache Tod in den Bienenstöcken habe in den vergangenen Tagen mit der Mais-Aussaat eingesetzt. Viele Samenkörner waren zur Insekten-Bekämpfung mit dem Nervengift Clothianidin der Firma BayerCropscience gebeizt. Das könnte der Killer sein, vermuten die Imker. Den Verdacht gegen das Nervengift aus dem Bayer-Konzern begründet der Verbandsvizevorsitzende Manfred Raff mit ähnlichen Erfahrungen italienischer Imker, bei denen die Mais-Aussaat schon vor Wochen erfolgte. Dort fand sich in toten Bienen das Clothianidin. Es ist dem Verband zufolge Bestandteil des Agrargiftes Poncho Pro, das für das Beizen des Mais-Saatgutes verwendet wird. Die Imker vermuten, dass die von den Saatmaschinen aufgewirbelten Stäube auf blühende Rapsfelder und Blumenwiesen wehten, wo das Gift von den Bienen aufgenommen wurde. Nach einem Brandbrief der badischen Imker an den Stuttgarter Agrarminister Peter Hauk lassen nun die Regierungspräsidien Freiburg und Karlsruhe tote Bienen auf Giftrückstände untersuchen. Imker Raff befürchtet das Schlimmste. "Ich habe einige meiner Bienen als Erster untersuchen lassen: Die Todesursache war zu 80 Prozent Nervengift", sagt er. Nach der Varroa-Milbe, die jeden Winter in den Stöcken der Honigsammlerinnen wütet, droht der Biene durch aggressive Agro-Gifte nun bundesweit eine womöglich weit größere Gefahr: Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund weist darauf hin, dass Clothianidin in Deutschland mittlerweile zugelassen wurde für Kartoffeln, Mais, Zucker- und Futterrüben, Getreide und Raps. Studien zufolge baue sich das Gift aber kaum ab. Es könne sich deshalb im Boden jedes Jahr trotz Fruchtfolge immer stärker ansammeln. Besonders betroffen von Flugverbot oder massenhaftem Bienentod wären vor allem die Rapsbauern in Schleswig-Holstein. Dort ist Raps nicht nur die wirtschaftliche Grundlage für die 2500 Imker und ihre rund 25000 Bienenvölker. Die Bienen sorgen mit dem Bestäuben der Ölpflanze für Ertragsteigerungen von bis zu 30 Prozent. In Süddeutschland ist Mais die am häufigsten angeflogene Pflanze der Bienen. Dort wird der Mais allerdings ebenso wie in Baden-Württemberg vom Mais-Wurzelbohrer bedroht - und Saatgut deshalb mit Clothianidin behandelt.

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