Das Opfer im Rampenlicht

Wien. Berichte, Bücher und Filme nach unfassbaren Verbrechen laufen meist gut. Beim österreichischen Entführungsopfer Natascha Kampusch ist eine Sache besonders: Die Frau, die 2006 nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft aus ihrem Kellerverlies flüchtete, profitiert selbst mit. Sie ist Bestseller-Autorin, begehrte Interviewpartnerin und hat nun einen Kinofilm zu ihrem Schicksal unterstützt

 Natascha Kampusch zeigte sich auch am Sonntag bei Günther Jauch gefasst. Foto: Zinken/dpa

Natascha Kampusch zeigte sich auch am Sonntag bei Günther Jauch gefasst. Foto: Zinken/dpa

Wien. Berichte, Bücher und Filme nach unfassbaren Verbrechen laufen meist gut. Beim österreichischen Entführungsopfer Natascha Kampusch ist eine Sache besonders: Die Frau, die 2006 nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft aus ihrem Kellerverlies flüchtete, profitiert selbst mit. Sie ist Bestseller-Autorin, begehrte Interviewpartnerin und hat nun einen Kinofilm zu ihrem Schicksal unterstützt. Das bringt der 25-Jährigen Respekt, aber in ihrer Heimat Österreich auch sehr viel Kritik bis zu blankem Hass ein.

Sonntagabend sitzt Kampusch in lilafarbenem Kleid mit Strickjacke bei Günther Jauch im Studio und spricht zum Thema "Verschleppt und misshandelt - wie gelingt ein Leben danach?". Auch anderen Medien hat sie Interviews gegeben. In ein paar Tagen kommt der nach ihrer Autobiografie benannte Kinofilm "3096 Tage" ins Kino.

Sie habe die Medienpräsenz gewollt, aber auch gar keine andere Chance gehabt, begründet die blonde Frau ihren ersten Fernsehauftritt als damals 18-Jährige nur zwei Wochen nach ihrer Flucht. Die Geschichte des vom Entführer Wolfgang Priklopil gefangen gehaltenen Mädchens hatte einen weltweiten Hype ausgelöst. "Ich hatte das Gefühl, selbst wenn es mir gelingen würde, kein Interview zu geben, würden die Paparazzi Fotos schießen und es würden Artikel zu dem Thema erscheinen, die jeglicher Authentizität entbehren", sagt sie bei Jauch.

"Zu schweigen würde nur die Opferhaltung verstärken", sagt sie dem "Spiegel". Die Prominenz sei gleichzeitig Last und Lust, sagt Kampusch der österreichischen "Kronen Zeitung": "Ich wünsche mir oft, dass es für mich eine andere Möglichkeit geben würde zu leben als die, die ich wahrnehme."

Kampuschs Auftritte verstören regelmäßig: Schon bei ihrem ersten Fernsehinterview 2006 wirkt die abgemagerte Frau mit Kopftuch erstaunlich gefasst, spricht ein mit Fremdwörtern gespicktes Deutsch. Als gebrochenes Opfer zeigt sie sich nie, was dazu beiträgt, dass ihre Geschichte bis heute in Österreich angezweifelt wird. Zahlreiche Untersuchungen dazu brachten nie konkrete Ergebnisse. Auch bei Jauch antwortet sie bedacht, die im Schoß verkrampften Hände verraten aber die Nervosität. Bevor sie etwas sagt, blickt sie nach oben, leitet viele Sätze mit "Ich denke..." ein. Danach nickt sie, als wolle sie sich ihrer Aussage versichern.

 Natascha Kampusch zeigte sich auch am Sonntag bei Günther Jauch gefasst. Foto: Zinken/dpa

Natascha Kampusch zeigte sich auch am Sonntag bei Günther Jauch gefasst. Foto: Zinken/dpa

Als letztes Tabu soll der Kinofilm auch den sexuellen Missbrauch thematisieren, über den Kampusch bisher nie sprach. In einer Szene liege Priklopil stöhnend auf dem mit Kabelbindern gefesselten Mädchen, berichtet der "Spiegel". Als sie das Drehbuch las, habe sie sich über die Szene gewundert, sagt Kampusch dem Magazin. "Aber es ist in Ordnung, weil es weder positiv noch demütigend wirkt. Leute, die fantasieren, dass es da Sexspielchen gab, werden enttäuscht sein." dpa

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