"Das ist Kirche wie im Mittelalter"

Köln. Notärztin Irmgard Maiworm ist empört. Wie können zwei katholische Krankenhäuser einer wahrscheinlich vergewaltigten jungen Frau Hilfe verweigern. "Ein Missverständnis", beteuern Krankenhausleitung und Erzbistum gestern und entschuldigen sich, nachdem die Wogen hochgeschlagen waren.Die Ereignisse liegen schon rund einen Monat zurück

Köln. Notärztin Irmgard Maiworm ist empört. Wie können zwei katholische Krankenhäuser einer wahrscheinlich vergewaltigten jungen Frau Hilfe verweigern. "Ein Missverständnis", beteuern Krankenhausleitung und Erzbistum gestern und entschuldigen sich, nachdem die Wogen hochgeschlagen waren.Die Ereignisse liegen schon rund einen Monat zurück. Da kam diese junge Frau an jenem Samstagnachmittag in die Praxis, aufgelöst, mit verschmutzter Straßenkleidung. Sie erzählte: Am Vorabend war sie in der Stadt unterwegs, "mit Freunden, die ihr wohl sehr vertraut waren", sagt Maiworm. Kurz vor der Heimfahrt mit der S-Bahn begann das Unfassbare. Die Freunde waren schon weg. An der Haltestelle habe sie noch gedacht: "In zehn Minuten kommt die Bahn." Danach nichts mehr. Keine Erinnerung. Auf einer Bank wurde sie wach. Es war hell, Samstagnachmittag. Irgendwo in der Stadt, in einem ganz anderen Stadtteil, in Köln-Kalk.

Sie ging zu einem Kiosk, durfte telefonieren, rief die Mutter an. Die brachte sie zur Notärztin, zu Irmgard Maiworm. Die 25-Jährige hatte Schmerzen, auch beim Toilettengang. Bei der Ärztin verdichtete sich die furchtbare Vermutung: Die Frau könnte mit K.o.-Tropfen betäubt und dann vergewaltigt worden sein. "Welche Folgen die Vergewaltigung haben kann, darüber hatte sie nicht nachgedacht."

Die Ärztin stellte ihr ein Rezept für die "Pille danach" aus. Die Polizei kam in die Praxis. Zur gynäkologischen Untersuchung sollte die Patientin ins Vinzenz-Krankenhaus direkt nebenan gehen - auch zur Sicherung möglicher Spuren des Täters wie Hautpartikel und Sperma. Falls die Frau später Anzeige erstatten wollte. Eine Ärztin dort sagte Nein.

Schnelle Entschuldigung

Zu einer Untersuchung gehöre ja auch ein Gespräch über die "Pille danach" und die Ausstellung eines Rezeptes. Nach einem neuen Erlass dürften sie das nicht mehr. "Die Kollegin hatte Angst um ihren Arbeitsplatz", sagt Maiworm. Die zweite Abfuhr habe sie im Heilig-Geist-Krankenhaus bekommen - gleiche Begründung. Beide Krankenhäuser gehören der Stiftung der Cellitinnen.

"Das ist für mich Kirche wie im Mittelalter", sagt die Ärztin. Es hätte der Eindruck entstehen können, dass katholische Krankenhäuser Vergewaltigungsopfer systematisch abweisen. Bistum und Krankenhausträger reagieren schnell - mit einer kurzfristigen Pressekonferenz: Vergewaltigungsopfer würden in katholischen Krankenhäusern genauso behandelt wie in anderen Kliniken auch. In den Krankenhäusern der Cellitinnen gebe es in solchen Fällen eine Pflicht zur umfassenden Heilbehandlung und "eine volle Kooperation mit der anonymen Spurensicherung" - also genau das, was beide Krankenhäuser abgelehnt haben sollen. Nur die "Pille danach" werde nicht verschrieben. Dass die Frau zweimal abgewiesen wurde, seien Fehler einzelner Ärzte.

Ein evangelisches Krankenhaus untersuchte schließlich die junge Frau, in Köln-Kalk - etwas weiter entfernt, aber ohne Abweisung.

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