Sammlung von Nazi-Relikten entdeckt Das Hitler-Rätsel von Buenos Aires

Buenos Aires · Weltweit erregt der Fund von Nazi-Relikten in Argentinien Aufsehen. Es wird spekuliert, geflüchtete NS-Größen hätten sie mit an den La Plata gebracht. Eine Spur zur Herkunft führt nach Solingen.

  Dieses Relief von Adolf Hitler ist Teil der größten je in Argentinien gefundenen Sammlung von Nazi-Gegenständen. Nach Ende der Ermittlungen soll sie im Holocaust-Museum von Buenos Aires ausgestellt werden.

Dieses Relief von Adolf Hitler ist Teil der größten je in Argentinien gefundenen Sammlung von Nazi-Gegenständen. Nach Ende der Ermittlungen soll sie im Holocaust-Museum von Buenos Aires ausgestellt werden.

Foto: dpa/Natacha Pisarenko

() In einem hinter Bücherregalen verborgenen Raum hat die Polizei in Argentinien eine spektakuläre Sammlung von vermeintlichen Nazi-Relikten beschlagnahmt. Die 75 Objekte wurden in dem geheimen Ausstellungsraum in Beccar, einer Vorstadt von Buenos Aires, gefunden.

In argentinischen Medien ist schon die Rede davon, dass Adolf Eichmann oder Josef Mengele die Hitler-Büsten und Reichsadler nach Argentinien eingeführt hätten. Noch nie sind dort derart viele Relikte mit Bezug zum Nationalsozialismus aufgetaucht – sie lassen nun die Fantasien blühen. Der Fund der Polizei bei einem Antiquitätenhändler hat offensichtlich eine konkrete Spur nach Deutschland.

Der 55 Jahre alte Händler muss sich nun vor der Justiz verantworten, beteuert aber seine Unschuld. Die Deutsche Presse-Agentur konnte ihn ausfindig machen – er will aber anonym bleiben. Seiner Version nach hat er die Sammlung über 25 Jahre von einem Argentinier erworben, sozusagen aus zweiter Hand. Er habe insgesamt 17 Sammlungen, darunter auch allerlei Erotisches, unter anderem kunstvolle Dildos aus der russischen Zarenzeit. Weltweit wird nun aber nicht über die Erotik-Kollektion, sondern über die Nazi-Sammlung berichtet: große Hitler-Bilder, mit Hakenkreuzen versehene Reichsadler, Pistolen, Degen, Fern- und Vergrößerungsgläser wurden beschlagnahmt, auch Apparate zum Messen von Kopfgrößen.

Ein angeblicher Händler hatte per Whatsapp Kontakt aufgenommen, ein Polizist. Bei einer Razzia fanden sich dann in einem Raum hinter einer Schiebetür die 75 Devotionalien. In Berichten ist von einer Geheimtür die Rede, was aus Sicht des Händlers Quatsch sei. Er habe nichts Unrechtes getan, meint er. Denn der reine Besitz von Nazi-Gegenständen sei keineswegs strafbar – er habe die Dinge privat gesammelt und ausgestellt, sie aber nicht verkauft. Die große Frage, das Rätsel dahinter, lautet: Wer war der ursprüngliche Besitzer?

Nach Abschluss der Ermittlungen sollen die Relikte in die Sammlung des Holocaust-Museums der Hauptstadt aufgenommen werden, sagt Argentiniens Innenministerin Patricia Bullrich. Aber darum dürfte es noch juristischen Streit geben – denn zum Beispiel einen illegalen Schmuggel oder Handel bestreitet der Händler kategorisch.

Das Interessante an dem Fund: Viele der Objekte sind mit dem Fabrikationsstempel des 1865 gegründeten und auf Militärmesser spezialisierten Solinger Unternehmens Carl Eickhorn gekennzeichnet, unter ihnen auch der Reichsadler mit Hakenkreuz auf einem Marmorsockel. Eickhorn produzierte unter anderem Blankwaffen für SA und SS. Zu klären ist noch, ob es sich um Originalstücke handelt. Der Name ist bis heute ein Begriff, das Nachfolge-Unternehmen betont im Internet: „Während Eickhorn-Solingen früher fast ausschließlich den Behördenmarkt mit Bajonetten, Kampf- und Rettungsmessern bediente (...), möchte das Unternehmen nun auch den Zivilmarkt für innovative Messerentwürfe und Schneidwaren-Erzeugnisse aus modernster Fertigung begeistern“.

In Argentinien wird nun viel spekuliert über die Hintergründe. Man muss wissen: Nazi-Mythen sind dort weit verbreitet. Es halten sich Gerüchte, dass Adolf Hitler zusammen mit Eva Braun in Wahrheit mit der längsten Tauchfahrt eines U-Boots nach 1945 nach Patagonien geflohen und erst Jahrzehnte später in Argentinien gestorben sei. Der Historiker Abel Basti hat mehrere Bücher über Hitler veröffentlicht, an dem Werk „Hitler in Argentina“ mit angeblichen vielen stichhaltigen Beweisen und Zeugen hat er nach eigenen Angaben 15 Jahre gearbeitet.

Fakt ist, dass die Mehrheit der zehntausenden Deutschen in Argentinien Hitler zu dessen Lebzeiten verehrt hat – daher könnten die Utensilien auch ganz legal von Anhängern mit einem Schiff nach Buenos Aires gekommen sein. In einer Veranstaltungshalle der Stadt feierten im April 1938 rund 10 000 Sympathisanten des Hitler-Regimes mit großen Hakenkreuzfahnen und in Trachten den Anschluss Österreichs. Deutsche Schulen wurden gleichgeschaltet, die NSDAP-Landesgruppe Argentinien hatte viel Zulauf. Sie wurde aber Mitte 1939 verboten, nachdem vom britischen Geheimdienst Gerüchte gestreut worden waren, Hitler wolle Patagonien annektieren, um dort Lebensraum zu schaffen. Die deutschfreundliche Einstellung kam etwas ins Wanken, aber zu Zeiten von Präsident Juan Domingo Perón wurde der La Plata zum Anlaufpunkt geflüchteter NS-Verbrecher.

 Auch diesen Dolch und eine Sanduhr mit Hakenkreuz fand die Polizei bei der Razzia in einem Vorort von Buenos Aires. Zudem wurden Pistolen, Degen, Fern- und Vergrößerungsgläser und eine Mundharmonika-Sammlung beschlagnahmt.

Auch diesen Dolch und eine Sanduhr mit Hakenkreuz fand die Polizei bei der Razzia in einem Vorort von Buenos Aires. Zudem wurden Pistolen, Degen, Fern- und Vergrößerungsgläser und eine Mundharmonika-Sammlung beschlagnahmt.

Foto: dpa/Natacha Pisarenko
 Ein Mitglied der Bundespolizei hält am 16.06.2017 im Interpol-Hauptquartier in Buenos Aires (Argentinien) eine Sanduhr mit Hakenkreuz. Die Polizei hat bei einer Razzia am 08. Juni in der Nähe von Buenos Aires den größten Fund an Nazi-Gegenständen in der Geschichte des Landes gemacht. Nach Angaben der Behörden handelt es sich um Originale aus der Zeit des Nationalsozialismus. Foto: Natacha Pisarenko/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Ein Mitglied der Bundespolizei hält am 16.06.2017 im Interpol-Hauptquartier in Buenos Aires (Argentinien) eine Sanduhr mit Hakenkreuz. Die Polizei hat bei einer Razzia am 08. Juni in der Nähe von Buenos Aires den größten Fund an Nazi-Gegenständen in der Geschichte des Landes gemacht. Nach Angaben der Behörden handelt es sich um Originale aus der Zeit des Nationalsozialismus. Foto: Natacha Pisarenko/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa/Natacha Pisarenko

Für den Vorsitzenden des Dachverbandes Jüdischer Vereinigungen Argentiniens, Areil Cohen Sabban, ist der Fall ein Skandal – er fällt sein Urteil, obwohl bisher vieles noch im Dunkeln ist: „Die Objekte sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass ranghohe Nazi-Größen in Argentinien Zuflucht gefunden haben.“

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