Das ewige Kind zieht Bilanz

Berlin · Thomas Gottschalks Autobiographie „Herbstblond“ ist voll von fröhlichen Anekdoten und Wegbegleitern wie Günther Jauch. Die Frohnatur Gottschalk überrascht aber auch mit ernsteren Tönen.

 1999 mit Michael Jackson in der Saarlandhalle. Foto: B&B

1999 mit Michael Jackson in der Saarlandhalle. Foto: B&B

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Er wird Mitte Mai 65. Es ist ihm nicht unbedingt anzusehen, doch sein Alter macht ihm schon zu schaffen. Denn ein Berufsjugendlicher, der Zeit seines Lebens gutes Geld mit seinem Temperament, seinem Charme und seinem weitgehend kindlich wirkenden Spaßempfinden verdient hat, macht sich vielleicht mehr Gedanken über den Reifeprozess als ein stinknormaler homo sapiens, der froh ist, wenn ihm der Rentenbescheid durch den Briefschlitz flattert.

Thomas Gottschalk , der neben dem derzeit zurückgezogen lebenden Harald Schmidt (57) und Günther Jauch (58) zu den Top drei der TV-Branche gehört, hat seine Memoiren geschrieben und mit "Herbstblond" übertitelt. Das Altwerden und das Alter nehmen bei Gottschalk viel Raum ein. Gerne saugt der gebürtige Franke Streicheleinheiten aus Volkes Stimme auf wie in dieser Anekdote, die ihm vor nicht allzu langer Zeit in der neuen Wahlheimat Berlin widerfuhr: "Hat Dir schon ma eena jesacht, ditte aussiehst wie der Jottschalk?", wurde er im Fahrstuhl angequatscht. "Ja, das passiert mir öfter." "Mann, damit kannste Jeld vadien!" "Aber nicht so viel wie der." "Macht nischt, dafür biste zehn Jahre jünger."

Er habe es nie für nötig gehalten, sich wie ein Erwachsener zu benehmen, und er lebe in der Wahnvorstellung, ewig Kind bleiben zu können - "zur Not eben ein altes Kind". Neben vielen heiteren Anekdoten aus Kindheit, Jugend und Karriere, die das ganze Buch lesenswert machen, überrascht die Frohnatur mit ernsthaften Tönen. Intensiv befasst er sich mit den Suiziden zweier Freunde: Lebemann Gunter Sachs und Ex-MDR-Intendant Udo Reiter , der ihn förderte. Gottschalks Erkenntnis: Er respektiert deren Entscheidungen. Er werde aber nicht versuchen auszusteigen, bevor er am Ziel sei.

Auch Jauch findet ausführlich statt: Der habe ihm berichtet, sich ernsthaft mit dem Gedanken zu tragen, kürzerzutreten. "Was er nie tut", lästert Gottschalk. Seine Passion, meint er über Jauch, hätte er in seinem Weingut finden können. Die Realität aber ist: "Jetzt ist seine Stimmung auch noch vom Wetter abhängig."

Nichts lässt Gottschalk auf seine mit ihm seit 1976 verheiratete Frau Thea kommen, sie habe seinetwegen auf eine Karriere verzichtet. Die Söhne Tristan und Roman leben in den USA, der eine getrennt von der Mutter seines Kindes. Gottschalks Enkel lebt in Berlin und wird von ihm persönlich ab und an in den Kindergarten gebracht. Umfangreich fällt auch die Abrechnung mit seinen Kritikern aus. Das Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder Christoph beleuchtet Gottschalk dagegen nur in wenigen Zeilen. Wegen der ähnlichen Stimmen seien sie zu verwechseln gewesen, die Gesprächspartner am Telefon hätten oft das Gefühl gehabt, dass Thomas mit im Boot gesessen habe, obgleich das nicht immer der Fall gewesen sei. Sie hätten sich ein paar Mal in die Haare gekriegt, dann aber wieder versöhnt. Beide wüssten, dass sie im Ernstfall für einander da seien.

Letztlich bewegte der Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch, der 2010 beim Versuch, mit Sprungfedern über fahrende Autos zu springen, querschnittgelähmt am Boden liegen blieb, Gottschalk zum Rückzug von "Wetten, dass..?". Mit 60 Jahren startete er noch einmal, bei der ARD-Vorabendshow und beim RTL-"Supertalent" - erfolglos. "Hätte ich mich nach den Abschiedsfeierlichkeiten für die letzte "Wetten, dass..?"-Show im Dezember 2011 winkend aufs Altenteil begeben, hätte man mich zwar heiliggesprochen, aber das Nächste, was ich gehört hätte, wäre mein Nachruf gewesen."

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