Cyber-Terror im Kinderzimmer

Köln/Berlin · Mobbing bekommt via Internet eine neue Dimension. Gerüchte oder peinliche Fotos werden vor aller Augen verbreitet. Cybermobbing unter Schülern nimmt zu, wie eine Studie zeigt. Das kann schlimme Folgen haben.

Jeder sechste Schüler in Deutschland ist schon einmal Opfer von Mobbing im Internet geworden. Schikane, Hetze und Beleidigung vor allem über soziale Netzwerke werden zunehmend zum Problem. Das geht aus einer Studie mit Angaben von bundesweit 9350 Schülern, Eltern und Lehrern aller Schulformen hervor, die das Bündnis gegen Cyber-Mobbing gestern in Köln vorstellte.

Knapp 60 Prozent der befragten Pädagogen kennen demnach Fälle von Cyber-Mobbing unter ihren Schülern. An etwa einem Drittel der Schulen tritt mindestens einmal pro Woche ein solcher Fall auf. In der repräsentativen Erhebung gaben 17 Prozent der Schüler an, Opfer geworden zu sein. Und 19 Prozent der Schüler räumen ein, dass sie selbst einmal Mobbing-Täter waren. Häufig angegebene Motive sind "Langeweile" oder "Spaß", aber auch das Ziel, jemanden "fertigzumachen". Die Tatorte sind zu 80 Prozent soziale Netzwerke wie Facebook. Die hohe Anonymität mache das Internet "zu einem idealen Tatort".

Anbieter der Plattformen wie Facebook müssten ihre Verantwortung stärker wahrnehmen und über Risiken informieren, verlangte Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses - einem Zusammenschluss aus Forschern, Medizinern, Pädagogen, Juristen und Eltern. Mehr Aufklärung forderte das Bündnis auch an Schulen und Kitas. Eltern müssten gezielter eingebunden werden. Denn: "Bei Eltern, die ihre Kinder intensiver in ihrem Internetkonsum begleiten, sind weniger Cyber-Mobbingfälle zu beobachten."

Am stärksten betroffen sind laut der Studie Jugendliche von 14 bis 16 Jahren. Aber schon mit elf und zwölf Jahren zeigt sich eine deutliche Zunahme. Cyber-Mobbing gehe schon in der Grundschule los.

Die Beschimpfungen, üblen Gerüchte und Verleumdungen, peinlichen Fotos und Videos werden überwiegend von Tätern aus dem eigenen Schulumfeld verbreitet. Die beobachteten Folgen bei den Opfern: Bedrückte Stimmung, Leistungsabfall, Angstzustände, Kopf- und Magenschmerzen, Wut. Der Nervenkrieg treibt Schüler auch zu Verzweiflungstaten: Im Dezember 2012 sprangen zwei zehn und elf Jahre alte Mädchen im bayerischen Kümmersbruck nach Cyber-Mobbing vor den Augen ihrer Mitschüler von einer Brüstung vier Meter in die Tiefe und verletzen sich. Und Internet-Attacken können auch tödlich sein.

Oktober 2012: Jahrelang wurde Amanda Todd im kanadischen Port Coquitlam in der Schule und online gehänselt. Sie bekam Depressionen und flüchtete sich in Drogen. Mit 15 Jahren nahm sie sich das Leben. Ein Video als letzter Hilferuf des Mädchens wird weltweit zum Symbol gegen Cyber-Mobbing.

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