Mainzer Unternehmen Biontech darf Wirkstoff am Menschen testen Das Rennen um einen Corona-Impfstoff

Berlin · Auch in Deutschland dürfen jetzt die ersten Tests am Menschen starten. Doch wann es das ersehnte Mittel gibt, bleibt ungewiss.

 Das Mainzer Unternehmen Biontech (hier ein Blick in das Labor der Firma) darf seinen Corona-Impfstoff-Kandidaten nun am Menschen testen. Erst Ende Januar hatten die Forschungsarbeiten begonnen.

Das Mainzer Unternehmen Biontech (hier ein Blick in das Labor der Firma) darf seinen Corona-Impfstoff-Kandidaten nun am Menschen testen. Erst Ende Januar hatten die Forschungsarbeiten begonnen.

Foto: dpa/Biontech

Es ist erstmal nur ein kleiner Schritt, doch die Hoffnungen dahinter sind riesig: In Deutschland können nun die ersten Tests am Menschen mit einem Corona-Impfstoff starten. Bislang gibt es weltweit lediglich eine Handvoll solcher Studien. Ein Impfstoff gilt als das zentrale Mittel im Kampf gegen Covid-19 – und somit für den Weg zurück in die gesellschaftliche Normalität. Doch noch ist völlig unklar, wann es das heiß ersehnte Mittel wirklich geben wird.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gab am Mittwoch bekannt, dass es erstmals eine Zulassung für die klinische Prüfung eines Impfstoff-Kandidaten erteilt. Das Mainzer Unternehmen Biontech darf nun sein Mittel – einen sogenannten RNA-Impfstoff – zunächst an etwa 200 gesunden Freiwilligen testen. Dabei geht es grundlegend um Verträglichkeit und auch Wirksamkeit des Impfstoffs. Dass noch in diesem Jahr ein erster zugelassener Impfstoff für die Impfung der Bevölkerung bereit steht, hält PEI-Präsident Klaus Cichutek für unwahrscheinlich. „Solche Vorhersagen sind mit aller Vorsicht zu genießen.“ Er geht davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt vier klinische Studien mit einem Impfstoff-Kandidaten in Deutschland starten werden.

Die Entwicklung und Prüfung des jetzt zugelassenen Impfstoff-Kandidaten erfolgte mit beeindruckender Geschwindigkeit: Erst Mitte Januar haben die Biontech-Wissenschaftler mit der Erarbeitung eines Konzepts begonnen. Ende Januar begannen die Forschungsarbeiten des „Lichtgeschwindigkeit“ betitelten Programms. Das Zulassungsverfahren konnte schließlich in nur vier Tagen abgeschlossen werden.

Dennoch bleiben Entwicklung und klinische Prüfung eines potenziellen Impfstoffs eine langwierige Angelegenheit. Vor wenigen Jahren noch wurde dafür ein Zeitraum von 15 bis 20 Jahren veranschlagt. Neue, moderne Technologien können den Prozess beschleunigen, doch die Sicherheit des Wirkstoffes müsse bestätigt und Nebenwirkungen ausgeschlossen werden, betont Cichutek.

Bei der Entwicklung eines Impfstoffes setzt die Forschung auf ein stufenweises Vorgehen: Impfstoff-Kandidaten werden zunächst in Zell- und Tierversuchen auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet. Bei positiven Ergebnissen dieser präklinischen Untersuchungen können die Impfstoffe an Menschen getestet werden. Vor der eigentlichen Zulassung als Impfstoff durchläuft ein Kandidat in der Regel drei Phasen der klinischen Prüfung, in denen Verträglichkeit, Sicherheit, Wirksamkeit und Anwendungsschemata getestet werden. Nach und nach werden immer mehr Probanden eingeschlossen.

Die erste klinische Studie für einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 startete im März in den USA. Bei der von dem Unternehmen Moderna entwickelten Kandidaten handelt es sich ebenfalls um einen mRNA-Impfstoff. Anfang April ist ein weiterer Kandidat des US-Unternehmens Inovio in die klinische Prüfung eingetreten. In China sind ebenfalls einige Studien gestartet, weitere sind weltweit in Planung.

Aber: Längst nicht alle Kandidaten erweisen sich als erfolgreich und schaffen es durch alle Studien-Phasen bis zur Zulassung. „Es ist ein sehr langer Weg zu einem sicheren Impfstoff. Die Stolpersteine dabei sind unkalkulierbar. Das wird wahrscheinlich von vielen unterschätzt“, sagt Bernhard Fleckenstein, emeritierter Direktor des Virologischen Instituts der Universität in Erlangen. Wir seien noch weit entfernt davon, dass ein großer Pharmakonzern eine wirksame und unschädliche Massenimpfung auf den Markt bringe.

Ehrgeizige Pläne meldete unterdessen ein Schweizer Immunologe. Er hat nach eigenen Angaben einen Impfstoff-Kandidaten entwickelt, der nach erfolgreichen Prüfungen möglicherweise noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen könnte. Martin Bachmann vom Universitätsspital Bern will die nötigen Studien und Genehmigungsverfahren so schnell durchlaufen, dass er schon im Oktober Massenimpfungen in der Schweiz für möglich hält. Die Aufsichtsbehörde Swissmedic bestätigte Gespräche mit Bachmann und anderen Forschern, die an Wirkstoffen gegen Sars-CoV-2 arbeiten. „Der Zeitplan ist äußerst optimistisch, aber er ist nicht komplett an den Haaren herbeigezogen“, sagte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Eine Phase-I-Studie soll Bachmann zufolge im Juli starten.

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