Tattoos waren schon im Mittelalter beliebt Wenn das letzte Abendmahl Jesu unter die Haut geht

Montabaur · Christliche Symbole als Tattoo haben eine lange Tradition – ein katholischer Theologe hat sich mit ihrer Geschichte und Gegenwart beschäftigt.

 Jesus und seine Jünger beim letzten Abendmahl auf Armeslänge: Tattoos mit christlichen Motiven waren unter anderem bereits bei Mönchen im Mittelalter sehr beliebt.

Jesus und seine Jünger beim letzten Abendmahl auf Armeslänge: Tattoos mit christlichen Motiven waren unter anderem bereits bei Mönchen im Mittelalter sehr beliebt.

Foto: Joachim Göres

Kreuze, Fische, Tauben, Kelche – Christen hinterlassen selbst an entlegensten Stellen ihre Symbole. Und sie lassen sich seit frühesten Zeiten diese und andere christliche Symbole auf ihre Haut tätowieren. Noch heute tragen Kopten in Ägypten ein tätowiertes Kreuz auf dem Handgelenk, als Erkennungsmerkmal für andere Christen.

„Die Römer haben Christen einst mit einer Tätowierung gekennzeichnet. Paulus hat aus dem Zeichen der Unterdrückung ein Zeichen des Triumphes gemacht, indem er Christen aufforderte, die Tätowierung mit Stolz zu tragen“, erklärt Paul-Henri Campbell, der in diesem Jahr sein Buch „Tattoo & Religion“ veröffentlicht hat. Darin schildert der in Montabaur lebende Schriftsteller und katholische Theologe gegensätzliche Entwicklungen: Während im Alten Testament das Einritzen in den Körper untersagt wurde und im Mittelalter Päpste Tätowierungen verboten, waren christliche Symbole auf der Haut bei den Franziskanern sehr beliebt. „Tattoos waren bei den Mönchen im Mittelalter ein Zeichen ihrer Inbrunst. Sie nahmen dafür höllische Schmerzen in Kauf, um die Leiden Christi nachzuahmen“, sagt der 37-Jährige.

Auch Pilger ließen sich häufig tätowieren. Campbell präsentiert in seinem Buch ein um 1700 entstandenes Ölgemälde, das den Diplomaten Heinrich Wilhelm Ludolf zeigt. Er streckt dem Betrachter seinen tätowierten Unterarm entgegen, auf dem die Leiden und Auferstehung sowie die Himmelfahrt Jesu Christi dargestellt wird. Ludolfs Tätowierungen stammen von seiner Pilgerreise nach Jerusalem, von wo seit dem 16. Jahrhundert Pilgertätowierungen belegt sind. „Mitunter wird sogar berichtet, das Stechen der Tätowierungen sei lebensgefährlich gewesen. Damals gab es ja noch keine elektrischen Tätowiermaschinen und Hygienerichtlinien“, sagt die Hamburger Kunsthistorikerin Maria Schaller – eine von 16 Experten, die Campbell für sein Buch interviewt hat.

Das Tattoostudio der Familie Razzouk in Jerusalem gibt es seit mehr als 350 Jahren. Bis heute werden dort Pilgern jahrhundertealte Zeichen wie eine Abbildung des Heiligen Georgs, das Jerusalemkreuz oder der Himmelfahrtschristus erst auf die Haut gestempelt und dann nachgestochen. In Santiago de Compostela ist die Jakobsmuschel ein verbreitetes Motiv. „Diese Zeichen zeigen sichtbar: Ich war da!“, sagt Campbell. Er hat mit vielen Tätowierern und Tätowierten über religiöse Symbole auf der Haut gesprochen, von denen heute Kreuze, Jesusfiguren, Madonnen und Rosenkränze zu den beliebtesten gehören. „Ein Lkw-Fahrer aus Koblenz hat mir erzählt, dass er sich nach seinem zweiten Herzinfarkt eine Madonna auf den Oberarm hat tätowieren lassen, als Schutz und auch als Dank, dass er noch lebt“, berichtet Campbell.

Mit kleinen Zeichen am Körper begnügt sich Mikael de Poissy nicht. In seinem Studio in Paris verewigt er große Fenster von der Kathedrale in Metz auf der Haut seiner Kunden. Dafür wird der Rücken oder manchmal auch der ganze Körper mit Ausnahme des Gesichts zum wandelnden Kathedralenfenster. Bei einer Ganzkörpertätowierung können bis zu zehn fünfstündige Sitzungen erforderlich sein. „Es hängt davon ab, wieviel Schmerzen eine Person pro Sitzung ertragen kann“, so Campbell. De Poissy sieht sich als Künstler – bei ihm kann man nicht ein Tattoo in Auftrag geben, sondern de Poissy bestimmt das Motiv. „Ich habe keine religiösen Extremisten, die sich bei mir tätowieren lassen. Dafür gibt es den einfachen und guten Grund, dass die Tätowierung verboten ist“, sagt de Poissy im Interview mit Campbell – und schränkt ein, dass es päpstliche Bullen gebe, die die Tätowierung an einigen christlichen Orten erlauben. Viele seiner Kunden seien Agnostiker. „Theologen fragen mich oft, ob die Träger religiöser Tattoos wirklich gläubig sind. Ich finde es unverschämt, so etwas zu fragen“, sagt Campbell und fügt hinzu: „Ein christliches Motiv muss nicht immer Ausweis tiefer Frömmigkeit sein, sondern man kann es einfach schön finden.“

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