Familiengericht in Großbritannien Ist Sex mit der Ehefrau ein Menschenrecht?

London · Die Aussage eines britischen Richters hat für Empörung gesorgt.

 Ein britischer Richter meint, dass der Geschlechtsverkehr eines Mannes mit seiner Frau ein Menschenrecht sei. Ob das auch gelten soll, wenn die Frau nicht in der Lage ist, ihr Einverständnis zu geben, ließ er offen

Ein britischer Richter meint, dass der Geschlechtsverkehr eines Mannes mit seiner Frau ein Menschenrecht sei. Ob das auch gelten soll, wenn die Frau nicht in der Lage ist, ihr Einverständnis zu geben, ließ er offen

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Die Perücke brauchte Richter Anthony Hayden für seine Einschätzung nicht aufzusetzen und doch hätten es vermutlich viele Beobachter als äußerst passend empfunden. Die Perücke gilt als Symbol der Verstaubtheit, als Jahrhunderte altes Relikt in Teilen der Juristenwelt im Königreich.

Er trug sie nicht. Es handelte sich nicht um einen Prozess, sondern um eine vorbereitende Anhörung an einem Familiengericht in London, bei der Hayden befand: „Ich kann mir kein offensichtlicheres grundlegendes Menschenrecht vorstellen als das Recht eines Mannes, Sex mit seiner Frau zu haben.“ Auch ohne Perücke schien der Muff der alten Zeiten durchzudringen.

Die Äußerung fiel im Zusammenhang mit dem Fall eines Paares, das seit 20 Jahren verheiratet ist. Weil die Frau psychische Probleme hat, im Konkreten eine Lernschwäche, und sich ihr Zustand zunehmend verschlechtere, sei sie nicht mehr in der Lage, frei zu entscheiden, ob sie Sex haben wolle oder nicht, argumentierten die Anwälte eines Sozialdienstes. Sie forderten deshalb, dem Mann per gerichtlicher Anordnung den Geschlechtsverkehr mit seiner Gattin zu verbieten. Damit solle sichergestellt werden, dass die Frau nicht vergewaltigt werde, sagten sie. Der Ehemann verstand deren Sorge offenbar sogar. Laut Medienberichten hatte er sich dazu bereit erklärt, künftig auf den ehelichen Sex zu verzichten. Doch dann kam Richter Anthony Hayden ins Spiel. Er meinte, er wolle zunächst die Beweise im Detail prüfen und die Begründungen ihrer Anwälte anhören, bevor er eine Entscheidung treffe. Immerhin könne das Gericht den Mann mit einer gerichtlichen Verordnung oder Verpflichtungserklärung in eine Situation bringen, in der ihm Gefängnis drohe, sollte er in zu engen körperlichen Kontakt mit seiner Frau kommen. Zudem würde es sich schwierig gestalten, den Fall zu überwachen.

Auch wenn eine ausführliche Anhörung aussteht und ein Urteil erst in den nächsten Monaten erwartet wird, löste Haydens Äußerung Empörung auf der Insel aus. „Das legitimiert Frauenfeindlichkeit und Frauenhass“, kritisierte die Labour-Abgeordnete Thangam Debbonaire. Kein Mann im Königreich habe das Recht, auf Sex zu bestehen. „Kein Einverständnis = Vergewaltigung“, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Der Einzelfall klinge komplex und erfordere sorgfältige Prüfung. „Aber kein Richter sollte diese Art von frauenfeindlicher und falscher Botschaft aussenden.“ Was dies über seine Werte aussage, sei schrecklich.

Zustimmung erhielt die Poli­tikerin von etlichen Menschen in den sozialen Medien. Ein Brite fragte: „Was ist mit dem fundamentalen Recht einer Ehefrau, Nein zu sagen? Was mit ihrem Recht, als Mensch und nicht als Eigentum behandelt zu werden? Wie wäre es damit, das Königreich nicht zurück ins 18. Jahrhundert zu befördern, indem man Frauenfeindlichkeit als grundsätzliches Menschenrecht ausgibt?“

Von der britischen Women’s Equality Party, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, hieß es: „Einstellungen wie diese sind teilweise der Grund für die niedrige und sinkende Zahl von Verurteilungen bei Vergewaltigungen und sexueller Belästigung.“

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