„Braunsbach war einmal“

Braunsbach · Braunsbach ist eigentlich ein beschaulicher Ort mit vier kleinen Bächen: Doch am Sonntag macht eine zerstörerische Gerölllawine die Gemeinde dem Erdboden gleich. Wenige Kilometer weiter reißen die extremen Wetterbedingungen vier Menschen in den Tod.

 Spuren der Zerstörung: Das Unwetter hat Braunsbach in ein Trümmerfeld verwandelt. Foto:dpa

Spuren der Zerstörung: Das Unwetter hat Braunsbach in ein Trümmerfeld verwandelt. Foto:dpa

Oresti Kenurgio traut seinen Augen immer noch nicht. Der Feuerwehrmann steht im Ortskern von Braunsbach , seiner Heimat - oder dem, was von ihr übrig ist. "Braunsbach war einmal", sagt der 29-Jährige. "Da ist ja nichts mehr da."

Er blickt auf die Reste seines Feuerwehrautos, von Trümmern begraben liegt es vor ihm. Als er Sonntagabend alarmiert wird, springt er in den Wagen. Doch die Wassermassen reißen das Fahrzeug mit. "Der Bach kam so schnell hinter uns", sagt er. "Ich habe gedacht, es ist vorbei." Kenurgio stürzt sich aus der Fahrerkabine, wie er später erzählt. Der Wagen wird durch das Dorf geschleudert, prallt hunderte Meter weiter unten an eine Hauswand. "Ich bin heilfroh, dass ich da noch rausgekommen bin."

Am Tag eins nach der Katastrophe in der 2000-Seelen-Gemeinde in Baden-Württemberg heben Bagger mannshohe Gesteinsbrocken aus dem Weg. Anwohner mit müden Gesichtern schippen Schlamm und Schutt aus ihren Hauseingängen. Es riecht nach Heu und ausgelaufenem Heizöl. Die Überreste von Autos hängen in Schaufenstern, Baumstämme haben Löcher in Fassaden gerissen. An einigen Häusern fehlen ganze Wände.

Drei winzige Bäche fließen durch Braunsbach . Durch das heftige Unwetter schwellen sie am Sonntagabend zu reißenden Flüssen, die das Dorf überfluten. Bürgermeister Frank Harsch sitzt in seinem Büro im Rathaus, als er gegen 20 Uhr plötzlich das Grollen hört. Als er aus dem Fenster blickt, sieht er die Wassermassen. "Das waren Naturgewalten, man kann das nur als Wahnsinn bezeichnen." Zwei Gebäude werden von der Schlammlawine weggerissen, viele Häuser sind einsturzgefährdet. Die Bewohner haben kein Wasser, keine Toiletten. Auch die Retter können kaum glauben, dass niemand verletzt wurde. "Wir sind froh, dass alle überlebt haben", sagt Michael Knaus vom Landratsamt Schwäbisch Hall.

So viel Glück hatte man im 60 Kilometer entfernten Schwäbisch Gmünd nicht. Dort starben am Sonntag vier Menschen. Erst nach Stunden konnten zwei vermisste Männer tot geborgen werden. Sie waren in einer Bahnunterführung von Wassermassen in einen Kanalschacht gesogen worden. Ein 38 Jahre alter Feuerwehrmann hatte vergeblich versucht, einen 21-Jährigen aus dem Schacht zu befreien - beide kamen um. In Weißbach im Hohenlohekreis starb ein 60-Jähriger in einem überschwemmten Keller. Tragisch endete auch das Leben eines 13-jährigen Mädchen aus Schorndorf. Es hatte gemeinsam mit einem Zwölfjährigen unter einer Bahnbrücke Schutz vor dem Regen gesucht und wurde von einem Zug erfasst. Der Junge musste daraufhin psychologisch betreut werden.

 Ein Feuerwehrauto mit Trauerflor: In Schwäbisch Gmünd starben zwei Menschen. Foto: dpa

Ein Feuerwehrauto mit Trauerflor: In Schwäbisch Gmünd starben zwei Menschen. Foto: dpa

Foto: dpa

Tiefe Spuren hat auch die Katastrophe von Braunsbach bei Kreisbrandmeister Jürgen Mors hinterlassen. Gemeinsam mit seiner Mannschaft hat er die ganze Nacht lang Häuser geräumt: "Wir haben heute Nacht eine Tragödie erlebt. Das wird noch lange in den Köpfen der Menschen bleiben."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort