Blutiges Ende einer „Spinnerei“

München · Ein sogenannter Reichsbürger hat in Franken auf Polizisten geschossen und einen 32-jährigen in Lebensgefahr gebracht. Der Fall rückt die Bewegung, deren Anhänger oft als „Spinner“ gelten, neu in den Fokus.

 Hier wohnt der „Reichsbürger“ – und hier beschoss er vier Polizisten. Foto: Armer/dpa

Hier wohnt der „Reichsbürger“ – und hier beschoss er vier Polizisten. Foto: Armer/dpa

Foto: Armer/dpa

Wolfgang P. ist gewarnt. Bevor die Polizei seine Haustür aufbricht, stellt sie Blaulicht und Martinshorn an. Der 49-Jährige soll in seinem Haus im fränkischen Georgens-gmünd nicht überrascht werden. Doch die Polizei unterschätzt, dass P. alle staatlichen Institutionen für illegal hält - der "Reichsbürger" schießt unvermittelt los, verletzt mehrere Polizisten , einen 32-jährigen Beamten lebensgefährlich. Am Abend kursierten Falschmeldungen, er sei seinen Verletzungen erlegen. Doch später korrigierte die Polizei ihre Angaben.

Gegen 6 Uhr am Mittwochmorgen rücken ein Sondereinsatzkommando und Mitarbeiter des Landratsamts Roth bei dem ehemaligen Betreiber einer Kampfsportschule an. Der Jäger und Sportschütze schießt durch eine geschlossene Tür aus dem ersten Stock herunter. Den 32-jährigen Polizisten trifft er dreimal, einem weiteren durchschießt P. den Oberarm, zwei Polizisten werden durch Glassplitter verletzt. P. selbst bleibt unbeschadet. Er hatte sich eine schusssichere Weste übergezogen.

In seiner Umgebung wird Wolfgang P., so der Rother Landrat Herbert Eckstein, als "skurril" beschrieben. In den vergangenen Monaten bekannte er sich immer offensiver zu den "Reichsbürgern" - einer Bewegung, die die Bundesrepublik ablehnt, Deutschland in den Grenzen von 1937 sieht und auch rechtsextremen Gedankengut anhängt. Wie viele "Reichsbürger" es gibt, ist unklar. Weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch das bayerische Innenministerium äußern sich zu Zahlen. "Alles Spinner", sei die häufigste Reaktion auf das, was die Gruppe propagiere, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU ) nach der Tat. Wenn es aber so wie gestern verlaufe, sei es "eben keine Spinnerei mehr".

Schon im Mai wollten Mitarbeiter des Landratsamt in das Haus in Georgensgmünd, um zu kontrollieren, ob P. seine mehr als 30 Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt. Damals verweigerte er den Zutritt. Auch ein zweiter Kontrollbesuch blieb erfolglos. Im August bekam P. ein Anhörungsschreiben, auf das er schriftlch antwortete. "Ich bin Reichsbürger", habe er darin mitgeteilt, sagt der Landrat. Die Kfz-Steuer zahlte P. nicht, weil für ihn der Staat illegal ist und keine Steuern eintreiben darf. In seiner Gemeinde meldete er sich offiziell ab. Wegen dieses Verhaltens entschied das Landratsamt, P. als unzuverlässig einzustufen und ihm den Waffenschein zu entziehen, was in der Razzia mündete.

Es ist schon das dritte Mal in kaum zwei Monaten, das in Deutschland Polizisten durch einen "Reichsbürger" zu Schaden kommen. Schon länger warnen etwa Linke und Grüne vor der Gruppe. Sie werfen der Bundesregierung vor, die "Reichsbürger" nicht ernst genug zu nehmen. Innenminister Herrmann will nun in Bayern den Verfassungsschutz auf die Bewegung ansetzen. Auch die Bundesregierung will die Einschätzungen prüfen. Das Schwierige dabei: Die "Reichsbürger" sind eine zersplitterte Bewegung. "Reichsbürger" Wolfgang P. soll heute den Haftbefehl erhalten - der Staat, den er nicht akzeptiert, wirft ihm versuchten Mord vor.

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