Blitzte Bewerberin wegen Körperfülle ab?

Darmstadt · Wie sieht eine Frau überhaupt aus, die sich um einen Job bewirbt, aber angeblich als zu dick abgelehnt wird? Im Fall einer 42-Jährigen eher normal. Sie zieht vor Gericht, scheitert dort, will ihren Fall aber weiter durchziehen.

So viel Aufmerksamkeit hat selten jemand, wenn er vor Gericht 30 000 Euro Entschädigung will. Aber die 42-Jährige in Darmstadt verlangt das Geld, weil sie 2012 als Bewerberin auf einen Job als zu dick eingeschätzt worden sei und deshalb abblitzte.

Wie sieht die Klägerin aus? Die Frau, die gestern vor dem Arbeitsgericht um Genugtuung kämpft, schlägt mit ihrer Körperfülle bei weitem nicht extrem aus dem Rahmen: Kleidergröße 42, Körpergröße 1,70 Meter, Gewicht 83 Kilo, erzählt sie. Sie hat ein Ziel: Genugtuung. Zudem will sie auch Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen. "Mir geht es um meine Würde", beschreibt sie ihren Antrieb. "Bei Bewerbungen geht es nur um das Äußere, nicht um die Qualifikation."

Der bundesweite Verein Dicke e.V (Berlin) begrüßte es, dass sich die Frau vor Gericht wehrt. Dadurch werde das Thema diskutiert. "Wenn eine Frau die Kleidergröße 42 hat, fällt sie auf der Straße nicht auf", sagte die Vorsitzende Gisela Enders zu diesem Fall.

Ganz offen gegen die von ihr empfundenen Benachteiligung kämpfen will die 42-Jährige aber nicht: Schwarze Perücke, dunkle Sonnenbrille. Fotos von ihr dürfen nur von hinten gemacht werden. Ihren Namen will sie nicht preisgeben. Wer aber unbedingt einen braucht, soll sie einfach Angela Müller nennen. Sie stamme aus einem Ort in der Nähe von Kassel, das reiche an Informationen. Dass sie sich auf einen Führungsposten einer Patientenorganisation beworben habe, sei für sie nicht ungewöhnlich. Sie arbeite auch jetzt in einer leitenden Funktionen.

Sie erzählt bereitwillig, was ihr der potenzielle Arbeitgeber 2012 angetan habe: "Erklären Sie uns mal, warum Sie übergewichtig sind", sei sie gefragt worden. "Das war ein Schlag ins Gesicht." Und das, nachdem es ein gemütliches Essen gegeben habe - "Spaghetti mit Pesto".

Abgelehnt werden Bewerber aus unterschiedlichsten Gründen. Eine Frau scheiterte bei der Bundespolizei , weil sie tätowiert war. Diese Haltung war richtig, meinte das Verwaltungsgericht Darmstadt in einer Anfang Juni veröffentlichten Entscheidung in einem Eilverfahren. Die Frau trägt auf dem rechten Unterarm den auf Französisch eintätowierten Spruch: "Bitte bezwinge mich." Das Gericht gab der Bundespolizei Recht: Es darf keine Ansätze für Provokationen geben. Auch der Anwalt dieser Frau wollte die nächste Instanz anrufen.

Das Arbeitsgericht sieht keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Nach dem Urteil gibt der potenzielle Arbeitgeber vor dem Gerichtssaal eine Stellungnahme ab, die Last ist spürbar abgefallen.

Drinnen im Sitzungssaal sech äußern sich der Anwalt und die Klägerin. Für die 42-Jährige ist die Sache klar. Der juristische Kampf geht weiter, nächste Instanz soll das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt sein. "Meine Mandantin wurde in eklatanter Weise in ihrer Menschenwürde angegriffen", meint der Anwalt. Jetzt müsse unbedingt ein abschreckendes Urteil her, sonst komme es immer wieder zu solchen Benachteiligungen bei der Bewerber-Auswahl. Auch die Klägerin gibt sich kämpferisch: "Wir ziehen das durch."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort