Biss ins Ungewisse

Paris. Ein Baiser-Gebäck mit Geschmacksrichtung Wasabi-Grapefruit? Eine Mandelmakrone als Mischung aus Vanille und Olivenöl - Olivenstückchen inklusive? Was für vorsichtige Verkoster befremdlich klingen mag, verspricht dem, der den Biss ins Ungewisse wagt, wahre Geschmacksexplosionen. Zumal es dem Schöpfer der süßen Kreationen nicht um ein Experiment um des Experimentierens willen geht

Paris. Ein Baiser-Gebäck mit Geschmacksrichtung Wasabi-Grapefruit? Eine Mandelmakrone als Mischung aus Vanille und Olivenöl - Olivenstückchen inklusive? Was für vorsichtige Verkoster befremdlich klingen mag, verspricht dem, der den Biss ins Ungewisse wagt, wahre Geschmacksexplosionen. Zumal es dem Schöpfer der süßen Kreationen nicht um ein Experiment um des Experimentierens willen geht. "Ich stelle mir immer zwei Fragen: Ist es interessant? Und: Schmeckt es gut? Wenn ich nur die erste bejahen kann, lasse ich es sein", erklärt Pierre Hermé, Konditormeister und Namensgeber eines der berühmtesten Hersteller für Macarons. Die kleinen, runden Plätzchen auf Basis von Eiweiß, Puderzucker und fein gemahlenen Mandeln mit einer festen Creme-Füllung gelten als Meisterstücke der Pâtisserie, der französischen Konditorenkunst. Und Pierre Hermé als einer ihrer Meister. "Picasso der Pâtisserie" nennen ihn die Medien, oder "Pâtisserie-Provokateur".Während Touristen für süße Souvenirs vor allem die Verkaufsstellen der Marke "La Durée" ansteuern, steht "Pierre Hermé Paris" im Wettstreit mit anderen Feinkost-Geschäften wie "Fauchon" oder "Lenôtre" um den Ruf des besten Macarons-Bäckers von Paris. Fest steht: Keiner wagt so viel wie der 50-jährige Hermé, Nachfahre einer Familie elsässischer Bäckerei-Konditorei-Meister in vierter Generation. Lange kannte man Macarons, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen, lediglich in den klassischen Geschmacksrichtungen wie Schokolade, Himbeere oder Café. Pierre Hermé wollte sich aber mit der reinen Reproduktion von Altbekanntem nicht zufriedengeben. Er verfeinerte nicht nur die Textur und sparte mit dem Zucker zugunsten anderer Zutaten, sondern führte auch neue Geschmacksrichtungen ein; zunächst Pistazie, Zitrone und Rose - "heute sind das Klassiker, damals erschien das mutig", erinnert er sich. Von Mixturen wie Zitrone-Basilikum war man noch weit entfernt. Vor allem aber spezialisierte sich Hermé auf die Verzierung: zierliche Creme-Hütchen oder glasierte Fruchtstücke auf den Makronen, die zu kleinen Kunstwerken werden - auch hinsichtlich des Preises.

1998 gründete Hermé gemeinsam mit seinem Unternehmenspartner Charles Znaty sein eigenes Haus und ist längst ebenso Feinbäcker wie Chef eines Unternehmens mit rund 300 Mitarbeitern. Mag er auch Bonbons, Kuchen, Konfitüren kreieren, so steht sein Name für nichts so sehr wie für Macarons. Wie ein Modemacher bringt er ganze Kollektionen heraus wie die "Garten-Kollektion" mit Kreationen von Anis-Safran bis Vanille-karamellisierter Fenchel. Besonders berühmt ist der Rosen-Macaron, gefüllt mit Himbeeren und einer Creme aus Litschis und Rosenblättern, verziert mit einem Krokantblatt mit Rosen-Aroma.

Die Zahl seiner Kreationen schätzt der Meister auf 300: "Ich zähle schon längst nicht mehr. "Nichts scheint tabu im Back-Atelier des Pierre Hermé, auch nicht die Extrawünsche betuchter Kunden: Einer wünschte sich zum zehnten Geburtstag einen Macaron mit Ketchup-Geschmack, ein anderer wollte beim Naschen an Zigarrentabak erinnert werden. Und für seine Frau schuf Hermé eine Kreation, die sie an den Milchreis erinnert, den ihre Großmutter in ihrer Kindheit zubereitete. Sein eigener Lieblings-Macaron hingegen wechselt: Es ist "immer der nächste, den ich erfinden werde".Foto: Bureau/afp

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