Bis zum Papst und auf die Todesliste

München. Er sang mit seinen Chören im Weißen Haus und im Vatikan - und geriet als "Volksverführer zum Guten" auf die Todesliste der RAF: Gotthilf Fischer ist nicht nur der wohl bekannteste Chorleiter, er ist eine Institution in Deutschland. Heute feiert er seinen 85. Geburtstag. Und noch immer besteht für Fischer jeder Tag aus Gesang

 Gotthilf Fischer lebt noch immer für die Musik.Foto: Weißbrod/dpa

Gotthilf Fischer lebt noch immer für die Musik.Foto: Weißbrod/dpa

München. Er sang mit seinen Chören im Weißen Haus und im Vatikan - und geriet als "Volksverführer zum Guten" auf die Todesliste der RAF: Gotthilf Fischer ist nicht nur der wohl bekannteste Chorleiter, er ist eine Institution in Deutschland. Heute feiert er seinen 85. Geburtstag. Und noch immer besteht für Fischer jeder Tag aus Gesang. Angetrieben von seinem Motto: "Sing, wenn du nicht mehr weiterweißt."

Dass Fischer am 11. Februar 1928 lebend zur Welt kam, hatten die Ärzte nicht erwartet. Der Taxifahrer, der seine Mutter zur Entbindung ins Krankenhaus brachte, hatte einen schweren Unfall. Das Leben der Hochschwangeren und ihres noch Ungeborenen stand auf der Kippe. Doch beide überlebten. Auf Drängen der Krankenschwestern bekam der Junge den Namen Gotthilf. Fischer glaubt, dass der Name ihm auch später half - er überlebte drei Flugzeugunglücke.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm er seinen ersten Chor. Mit zehn Sängern fing er an, nach vierzehn Tagen hatte er achtzig Chormitglieder. Der bundesweite Durchbruch gelang Fischer in Folge des Grubenunglücks von Lengede 1963. Bei der Trauerfeier für die verstorbenen 29 Bergleute trat Fischer erstmals mit einem Chor aus 200 Sängern im Fernsehen auf. 1970 brachte Fischer die erste von mittlerweile 42 Langspielplatten raus.

Mehr als 16 Millionen Schallplatten und CDs konnte er im Laufe seiner Karriere absetzen. Und das, obwohl er vor allem Volkslieder wie "Hoch auf dem gelben Wagen" oder oft religiös geprägte Eigenkompositionen singen ließ. Aber: Der Deutsche Fußball-Bund engagierte ihn 1974 für das Programm zum WM-Finale Deutschland gegen Holland. Hunderte Millionen Menschen sahen weltweit zu. In New York sang sein Chor beim Abschiedsspiel von Franz Beckenbauer. Vor dem Weißen Haus in Washington traten sie für US-Präsident Jimmy Carter auf, der den Chorleiter empfing. Der weltweite Erfolg ließ Fischer auch ins Visier der RAF geraten, die ihn in der Zeit der Schleyer-Entführung auf Platz neun ihrer Todesliste setzte.

Fischer betrieb das Singen als eine Art Friedensmission. Der Protestant reiste mit Sonderzügen zu Weltfriedensfahrten in den Vatikan, wo ihn Papst Paul VI. ebenso wie später Johannes Paul II. begrüßte. Einen öffentlichen Auftrag zu diesen Reisen hatte Fischer nicht - er machte sie auf eigene Initiative.

 Gotthilf Fischer lebt noch immer für die Musik.Foto: Weißbrod/dpa

Gotthilf Fischer lebt noch immer für die Musik.Foto: Weißbrod/dpa

Bis heute braucht Fischer nur wenige Handbewegungen, um Tausende zum Singen zu bringen. Anfang des Monats sangen in Dresden 4000 Menschen mit ihm einen "Dresden Song". Dabei sah es im vergangenen Jahr so aus, als ob Fischer nicht mehr auf die Beine kommen würde. Er war beim Dirigieren bewusstlos umgefallen, bei einer anschließenden Operation an der Halsschlagader gab es Komplikationen. Doch Fischer berappelte sich. Die Ärzte hätten ihn mit den Worten verabschiedet, jetzt gehe es wieder für 30 Jahre. "Also komme ich in 30 Jahren wieder", sagte Fischer und ging auf Tournee. afp

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