"Bis vors Jüngste Gericht"

Frankfurt/Bonn/Berlin. Das Satiremagazin "Titanic" will das Verbot seines Papst-Titelbildes nicht hinnehmen. Noch vor dem Wochenende werde die Anwältin der "Titanic" Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts einlegen, sagte Chefredakteur Leo Fischer gestern in Frankfurt

Frankfurt/Bonn/Berlin. Das Satiremagazin "Titanic" will das Verbot seines Papst-Titelbildes nicht hinnehmen. Noch vor dem Wochenende werde die Anwältin der "Titanic" Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts einlegen, sagte Chefredakteur Leo Fischer gestern in Frankfurt. "Wir schöpfen den Rechtsweg voll aus und ziehen notfalls bis vors Jüngste Gericht." Am Vortag hatte die Pressekammer des Gerichts auf Antrag der katholischen Kirche geurteilt, dass das Titelblatt und die Rückseite der aktuellen "Titanic" nicht länger verbreitet werden dürfen. Bei einem Verstoß droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro.Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) stellte sich auf die Seite der Zeitschrift. Die gerichtliche Verfügung gegen das Papst-Titelbild sei überzogen, kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. "Auch der Papst muss sich Satire gefallen lassen." Benedikt XVI. werde von "Titanic" als Sinnbild der "Vatileaks"-Affäre dargestellt. "Über Geschmack lässt sich streiten, aber die Darstellung fällt unter die Freiheit der Satire."

Die "Titanic" hatte unter dem Titel "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden!" den Papst von vorn und hinten gezeigt - einmal mit gelbem, einmal mit braunem Fleck auf der Soutane. Das Magazin will den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung damit begründen, dass der Papst das Bild missverstanden habe. "Man kann das Titelbild gar nicht anders deuten als wir das tun: Wir feiern mit dem Papst das Ende der Vatileaks-Affäre. Dabei verschüttet er Limonade auf seine Soutane", sagte Fischer.

Die Redaktion freue sich darüber, dass der Vatikan spät gegen das Juli-Heft vorgegangen sei. Die gesamte Abo-Auflage von rund 20 000 Exemplaren sei bereits versendet, nahezu die komplette Kiosk-Auflage von 60 000 bis 70 000 Heften verkauft. Im Internet wurden die Hefte am Mittwoch zum Teil für Preise um die 20 Euro gehandelt - am Kiosk kostet ein Exemplar vier Euro.

Meinung

Der Papst und die Titanic

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Einige Kracher hat die Titanic in den vergangenen Jahrzehnten schon gezündet. Helmut Kohl war angeblich über 50 Mal auf dem Titel, und fast immer wandelte das Magazin dabei auf dem schmalen Grat zwischen dem, was Satire vermutlich darf, und dem, was die Persönlichkeit eines Einzelnen verletzen könnte.

Es ist das Markenzeichen des Magazins, ganz schön böse zu sein. Der Papst mit einer besudelten Soutane - typisch Titanic. Helmut Kohl hat anders als Benedikt aber nie geklagt, obwohl er vielleicht mehr Grund dazu gehabt hätte. Angela Merkel auch nicht, als sie wie Natascha Kampusch mit einem Kopftuch gezeigt wurde samt Unterzeile: "Kohls Mädchen packt aus - Ich musste Kanzler zu ihm sagen." Das zeigt Größe im Umgang mit Spott, und sei er noch so ätzend. Diese Stärke hat leider nicht jeder. Der Papst schon gar nicht. Kurt Beck hatte sie auch nicht, als er sich gegen den Titel mit der Zeile "Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!" erfolgreich wehrte. Gleiches gilt für den einstigen SPD-Chef Björn Engholm, der klagte, weil er auf dem Titanic-Cover per Fotomontage wie der tote Uwe Barschel in die Badewanne lag. Und so weiter, und so weiter.

Gefreut hat der Aufstand der Verletzten und Anständigen immer nur die Macher des Magazins. So wie jetzt auch. Und die Leser - wegen der stets deftigen Nachwäsche. Man muss das alles nicht lustig finden, was die Titanic macht. Aber sie geht häufig mit der Doppelmoral von Politik und Kirche satirisch hart ins Gericht. Und das macht ihr so leicht keiner nach.

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